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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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ausgeht, dass der Fonds alle Ersparnisse auszahlen könnte (womit er bei einer Massenpanik überfordert wäre), sondern damit die Panik gar nicht entsteht.
    Im Prinzip haben Angela Merkel und Peer Steinbrück so etwas intuitiv gemacht, als sie nach der Lehman-Pleite im Herbst 2008 vor die Fernsehkameras traten und erklärten, dass alle Ersparnisse in Deutschland sicher seien und die Regierung dafür garantiere. Was sie im Ernstfall natürlich auch stark überfordert hätte. Die psychologische Wirkung erzielte der Auftritt trotzdem: Er wirkte beruhigend. In den Tagen davor hatte es angesichts lauter Meldungen über angeschlagene Banken Anzeichen gegeben, dass die Deutschen vermehrt Bargeld abhoben. Alarm.
    In der Euro-Krise wuchsen stattdessen die Zweifel – und die Krise eskalierte. Die schlimmsten Vertrauensabstürze setzten immer dann ein, wenn die Zweifel neue Nahrung bekamen, ob die Deutschen an den Hilfen und am Euro festhalten würden. Als die Kanzlerin im Oktober 2010 ankündigte, die (ohnehin schon fliehenden) privaten Gläubiger bei einem Schuldenschnitt für Griechenland heranzuziehen, setzte Panik unter den Anlegern ein. Was damals zufällig die Iren traf. An denTagen darauf schnellten die irischen Zinsen so abrupt hoch, dass das Land kurz darauf unter den Rettungsschirm musste.
    Die Ankündigung der Kanzlerin sollte Kreditgeber zur Verantwortung ziehen (ganz im Sinne des SHT), führte inmitten so einer Vertrauenskrise aber nur dazu, dass besagte Anleger irische Anleihen abstießen, obwohl sich fundamental an der irischen Lage nichts geändert hatte. Dass die Bankenrettung teurer würde als vorher vermutet, kann nicht der Grund gewesen sein, das war schon Wochen vor der Schuldenschnittankündigung bekannt geworden – und das hatten Investoren eher gelassen aufgenommen. Der Zinsschub kam erst mit Merkels Coup. Fatal.
    »Die nächste Eskalation setzte ein, als die EU-Verantwortlichen im Juli 2011 den Schuldenschnitt tatsächlich beschlossen, ohne Italien und Spanien hinreichend abzuschirmen«, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Von da an galten an den Märkten auch die beiden großen Volkswirtschaften nicht mehr als sicher. Was erklärt, warum die Zinsen für italienische und spanische Anleihen in besagtem Juli 2011 so dramatisch hochschossen, ohne realen Anlass.
    Umgekehrt nahmen die kirre gewordenen Finanzmärkte jedes Signal für eine Systemgarantie dankend auf. Etwa als im Dezember 2011 EZB-Chef Mario Draghi ankündigte, den Banken dreistellige Milliardenbeträge günstig zur Verfügung zu stellen, damit die damit möglichst Staatsanleihen kaufen konnten – eine Art (schlechter) Ersatzgarantie für italienische und spanische Papiere.
    Die Beruhigung kam, als Draghi Ende Juli 2012 ankündigte, dass die EZB notfalls massiv an den Staatsanleihemärkten intervenieren würde. Die Quasi-Garantie wirkte: Allein die Ankündigung, notfalls ohne Limit zu intervenieren, reichte aus, um die Angst der Anleger vor der eigenen Angst zu brechen und italienische wie spanische Zinsen auf normalere Niveaus zurücksinken zu lassen. Ein Lehrstück, wie Finanzmärkte (dys-)funktionieren – eines, das mit den Lehrbüchern wenig zu tun hat. Da ist es besser, sich durch mehr oder weniger panikgetriebene und wankelmütige Märkte nicht weiter treiben zu lassen.
    ***
    In der Euro-Zone haben genau jene Mechanismen und Automatismen versagt, die auf befreiten Finanzmärkten nach Vorstellung ihrer Vordenker eigentlich wirken sollten. Und die das System hätten stabilisieren müssen. Da fehlte die stabilisierende Spekulation, die verhindert hätte, dass die Zinsen für Griechenland auf deutsche Niveaus sanken – nach reiner Lehre hätten Spekulanten da längst progressiv disziplinierend auf die griechischen Regierungen wirken müssen. Fehlanzeige.
    Als Griechen und andere Euro-Länder unter Druck gerieten, versagte auch hier die stabilisierende Spekulation. Da verselbständigte sich die Panik und standen exzessiv hohe Zinsen bei den einen und rekordniedrige bei anderen irgendwann in keinem Verhältnis mehr zur tatsächlichen Schuldenlage. Nach Schätzungen des IWF lagen die Zinsen auf italienische und spanische Anleihen Mitte 2012 zwei Prozentpunkte über allem, was man nach üblichen ökonomischen Kriterien hätte erklären können. Dass das Geld derart in deutsche Staatsanleihen floh, hatte mit rationalen Markturteilen ebenso wenig zu tun – eher mit der Angst, dass die Krise eskalieren und bei einem

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