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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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Deutschland-Freund Mario Monti ersetzt wurde? Da hatten die Italiener im Sommer 2012 bereits ihr fünftes zusätzliches Sparpaket aufgelegt und um strukturelle Reformen ergänzt. Da steuerte der strukturelle Etatsaldo vor Zinsen bereits auf einen Überschuss von fast vier Prozent zu. Da sollte Spaniens neuer Regierungschef bald das vierte Kürzungs- und Reformpaket in wenigen Monaten nachgelegt haben. Alles, um die Finanzmärkte zu besänftigen. Mit dem Ergebnis, dass die Lage erneut eskalierte, die Zinsen auf italienische Staatsanleihen wieder so hoch lagen wie vor dem Abgang von Silvio Berlusconi – und die Märkte höhere Zinsen auf spanische Anleihen verlangten als vor den vier neuen Sparpaketen des konservativen Premiers. Gaga.
    Entweder die Finanzgemeinde lag vorher falsch, als sie alle Euro-Länder mit Bestnoten bewerteten – oder nachher. Oder eben beides, wie beim Wechsel zwischen Euphorie und Panik an Finanzmärkten typisch. Hier dürfte auch die plausiblere Lesart dafür liegen, dassdie Krise sich trotz alledem so zuspitzte. Die Euro-Krise war am Ende nur ein weiteres Beispiel dafür, wie Märkte die Selbstkontrolle verlieren und absurd ausschlagen können.
    Klar, es gab auch hier am Anfang fundamentale Gründe, ein Land skeptischer zu beurteilen. Wie bei Asienkrise, Aktiencrash und New Economy. Nur entwickelte die Skepsis ebenso schnell ihr Eigenleben, verselbständigten sich die Sorgen, um irgendwann auch Länder zu erfassen, die kurz vorher noch als solide galten, setzte all das ein, was die Prozyklik von Märkten ausmacht, samt Dominoeffekten. Da reicht die Skepsis gegenüber einem Land, um das nächste kritischer anzugucken. Und da reicht die Flucht der einen, um die Flucht anderer zu beschleunigen.
    Dass die Lage so eskalierte, lässt sich nur erklären, wenn man die Euro-Krise als Nachbeben der globalen Finanzkrise versteht, die seit 2007 zu einem globalen Hochschnellen der Staatsschulden führte, weil Regierungen überall Banken und Konjunktur retten mussten. Nach Schätzungen der Wirtschaftshistoriker Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff stieg die Schuldenquote in den entwickelten Ländern im Schnitt von weniger als 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts vor Ausbruch der Bankenkrise auf rund 90 Prozent 2011 – und lag damit höher als während des Zweiten Weltkriegs. So ein Schock muss nach allen Regeln der Ökonomie dazu führen, dass es auf dem Markt für Staatsanleihen enger wird, dass es tendenziell mehr auszugebende Staatsanleihen gibt, als Menschen diese ohne weiteres kaufen wollen. Und dass Anleger genauer hinsehen und der Preis (also Zins) vor allem bei denen steigt, die ohnehin am schwächsten dastehen.
    Reinhart und Rogoff werteten zwei Jahrhunderte Finanzkrisen aus und stellten dabei fest, dass fast jede Bankenkrise in einer zweiten Welle zu Staatsschuldenkrisen führte – weil Banken früher oder später teuer gerettet und die Konjunktur gestützt werden müssen. Die Frage ist nur, warum es gerade die Euro-Zone diesmal so hart traf.
    Die globale Staatschuldenexplosion wirkte auf den Anleihemärkten wie eine Flutwelle, die nun einmal diejenigen als erste mit sich riss, die unten auf der Leiter standen: also die, die tatsächlich am relativ schlechtesten präpariert und die zudem am wenigsten geschütztwaren, worin die zweite Ursache der speziellen Euro-Krise liegt. Nur so ist erklärbar, warum so ein kleines Land wie Griechenland solche Schockwellen auslösen konnte.
    Als die Abwärtsspirale losgetreten war, wirkten plötzlich die üblichen Herdentriebe und sich selbsterfüllende Prophezeiungen und Ratingherabstufungen und Spekulationen auf das Euro-Ende. Da führten berechtigte Zweifel an der griechischen Finanzpolitik bald dazu, dass Anleger flohen und die Zinsen stiegen – was die Sorge vor einem Ausufern der Krise nur noch größer werden ließ und noch mehr Anleger zur Flucht veranlasste und die Sanierung der Staatsfinanzen angesichts steigender Zinsen und entsprechend teurerer Kreditaufnahme nur noch schwieriger machte. Und je mehr das Vertrauen in griechische Staatsanleihen schwand, desto unruhiger wurden auch die Anleger, die portugiesische oder irische Anleihen hielten – so wie 1997 die Besitzer malaysischer Anleihen unruhig geworden waren, als Thailand zu kriseln begann. Dominoeffekt.
    Zehn Jahre zuvor hieß das gemeinsame Merkmal: Schwellenland. Diesmal Euro-Zone. Was zum Teil erklärt, warum manches Euro-Land plötzlich stärker in die Kritik kam – selbst Niederländer

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