Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
Vom Netzwerk:
Prämie für Finanzleute, die sich nur durch Natur und Funktionsweise einer Branche erklären lässt, die ihre Gewinne selbst erfüllend (fast) von allein schafft.
    Nach Philippons Kalkül war diese Prämie vor dem Crash von 1929 auf 30 Prozent hochgeschnellt. Sprich: Etwa die Hälfte der überdurchschnittlichen Bezahlung beruhte auf keinerlei gängig erklärbaren Faktoren. Ähnliches Phänomen wie jetzt. Bei Ausbruch der jüngsten Krise waren die Banker im Schnitt um 40 Prozent zu hoch bezahlt, gemessen an dem, was man bei ähnlicher Ausbildung und vergleichbarem Jobrisiko überall sonst bekam.
    Und noch eine Parallele. Heute wie damals wurde die Finanzeuphorie von enorm wachsendem Gefälle zwischen Arm und Reich begleitet. Im Jahr 1929 seien »die Reichen besonders reich« gewesen,unkte Galbraith: Über 30 Prozent der Einkommen seien damals auf 5 Prozent der US-Bevölkerung konzentriert gewesen. So ein Gefälle hat es danach nicht wieder gegeben – bis zur neuen Finanzglobalisierung. Geschichte in der Wiederholungsschleife.
    Als die Aktienkurse im Oktober 1929 abstürzten, setzte eine atemberaubende Kettenreaktion ein – ähnlich wie nach 2007. Da endlos viel Vermögen nur entstanden war, weil Investoren sich endlos Geld zum Kauf von immer noch mehr Wertpapieren geliehen hatten, ging die Spirale jetzt in umgekehrter Richtung los. Aus Leverage wurde Deleveraging. Da nährte die Angst plötzlich die Angst. Der Crash löste neue Wellen von Verkäufen aus, was die besonders traf, die sich im Glauben an endlos steigende Werte verschuldet hatten – als erstes die Banken. Auch das eine Parallele: »Wenige Menschen verloren jemals so rapide ihr Ansehen wie die Bankleute von New York in den fünf Tagen vom 24. bis 29. Oktober 1929«, so Galbraith später (höchstens ahnend, dass der Rekord noch mal eingestellt werden könnte).
    Im Frühjahr und Sommer 1931 brach in den USA wie in Europa eine schwere Bankenkrise aus – Zeitvergleich: Die Zuspitzung kam wie 2007/08 ein bis eineinhalb Jahre nach Ausbruch der Krise. Bis dahin hatten sich die Wertverluste durch das System gefressen und immer mehr Schäden hinterlassen – Prozyklik. Was damals der Bankrott von Banken wie der Wiener Creditanstalt und der deutschen Danat-Bank war, war im September 2008 die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers. Da schien das gesamte Finanzsystem zu kollabieren. Beide Male löste das eine spektakuläre Abwärtsspirale aus.
    Der Unterschied: In den 30er Jahren geriet diese Spirale völlig außer Kontrolle. Im Laufe des dramatischen Jahrzehnts gingen in den USA insgesamt 9 000 Kreditinstitute pleite. Bis 1932 fiel die Industrieproduktion in den USA und Deutschland um mehr als 40 Prozent. Der internationale Austausch von Waren kollabierte, auch weil die Regierungen zum Schutz ihre Importzölle drastisch erhöhten. Und die Arbeitslosigkeit erfasste bei Amerikanern wie Deutschen 1932 sage und schreibe 25 Prozent derer, die eigentlich hätten arbeiten können und wollen.
    In den USA folgte nach der Bankenkrise 1931 eine fatale Deflation – mit krisenbedingt immer neuen Preisnachlässen, die zu noch mal sinkenden Löhnen führten, was die Krise weiter verstärkte, weil niemand bereit war, mehr auszugeben. Und als 1936/37 das Schlimmste überwunden zu sein schien, folgte der nächste Rückschlag. So richtig endete die Depression in den USA erst mit Eintritt in den Zweiten Weltkrieg. Die Kriegswirtschaft brachte erstmals nach einem schlimmen Jahrzehnt wieder so viele Leute in Arbeit, dass die Quote wieder unter 10 Prozent sank.
    Bizarr: In den 30er Jahren stieg das relative Gewicht der entzauberten Bankenbranche erst noch weiter, was daran lag, dass der Rest der Wirtschaft noch schneller schrumpfte als die Finanzindustrie. Der Trend ging dennoch bereits abwärts. Spätestens als Roosevelt im März 1933 eine regelrechte Zeitenwende einleitete – und das Ende des Experiments.
    Damals hätte sicher kein Politiker und Wirtschaftsexperte darauf gewettet, dass es ein paar Jahrzehnte später wieder Politiker und Wirtschaftsexperten geben würde, die viele Regeln und Gesetze für Banken abermals rückgängig machen und – als wäre nichts gewesen – auf die große Weisheit von Finanzjongleuren setzen würden, deren brutale Entzauberung nach dem 24. Oktober 1929 viele Jahre Massenelend und Dramen mit sich gebracht hatte.
    Das Positive ist: Die Krisenmechanismen von 1929 und 2007 scheinen sich bei allen Unterschieden stark zu ähneln – und die Frage

Weitere Kostenlose Bücher