Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
ab, wie sich die Welt drumherum entwickelt – und ein Banktestament, das bei einer durchschnittlichen Finanzturbulenz zieht, geht daneben, wenn es wie 2008 plötzlich eine Systemkrise mit all ihren Rückwirkungen gibt. Da hilft auch der Umstand wenig, dass Banker und Behörden daraus lernen können. Finanzkrisen haben alle vergleichbare Ursachen und Verläufe, aber nie zweimal exakt dieselben. Sonst wäre es ja auch einfach, sie zu verhindern. Dann müsste man darüber keine ganzen Bücher schreiben.
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Entsprechend zweifelhaft ist auch, wie viel es bringt, auf bessere Aufseher und höhere Transparenz zu setzen, um künftige Krisen zu verhindern. Natürlich scheint es per se erstmal sinnvoll, dafür zu sorgen, dass Derivate künftig nicht mehr im Nebel gehandelt werdendürfen, wie es etwa Peer Steinbrück in seinem Plan für die Finanzreform vorstellte. Bislang ging ein Großteil des Geschäfts »over the counter«, im Finanzjargon kurz: OTC – warum nicht solche Transaktionen zumindest registrieren lassen? Und sei es, um künftig bessere Statistiken darüber zu haben, was an solchen Märkten geschieht. Oder um zu gewährleisten, dass eine Transaktionssteuer alle (registrierten) Geschäfte trifft.
Natürlich ist es gut, die Verstrickungen zwischen den Banken besser zu kennen, um dieser oder jener systemisch wichtigen Bank höhere Auflagen zu machen. Womöglich wäre auch ein Finanz-TÜV gut, der jedes neue Finanzprodukt prüft – nach welchen ethischen oder wirtschaftlichen Kriterien auch immer.
Die Frage ist trotzdem, ob sich dadurch das tiefere Problem einer gefährlich instabilen Finanzbranche lösen ließe. Wenn Derivatgeschäfte registriert werden müssten, wer ließe sich dann davon abschrecken, damit zu handeln, solange mit solchen Geschäften hohe Renditen zu erzielen wären, was ja an sich nicht verboten ist? Wenn es zur Natur von Finanzexzessen gehört, dass in den Exzessphasen nach oben wie nach unten alle hinterherlaufen, weil sich damit ganz offenbar das größte Geld machen lässt, dann wird sich daran nichts ändern, wenn die dazugehörigen Geschäfte besser dokumentiert und die grandiosen Kurszuwächse möglichst noch am Marktplatz ausgehängt werden.
Im schlimmsten Fall animiert das Tante Erna nur noch mehr, ebenfalls einzusteigen – und das Überschießen der Kurse so noch zu verstärken; oder auszusteigen, wenn wieder einmal Panik ausbricht, wie in der Euro-Krise seit 2009, wo alle (Anleger-)Welt nur noch wie unter Drogen deutsche (oder Schweizer) Staatsanleihen kaufte. Dann wird die Wucht der Herde durch Transparenz größer, und damit auch das Risiko heilloser Übertreibungen.
Ob es überhaupt an der mangelnden Transparenz lag, wenn es zu großen Wellen an den Märkten kam, lässt sich ohnehin bezweifeln. Es war ja nicht so, dass die Aktienkurse vor dem Crash 1987 geheim waren. Oder die atemberaubenden Kapitalströme nach Asien in den 90er Jahren. Oder die Geldzuflüsse und Börsenwunder der New Economy. All das war so bekannt wie vor 2007 der Boom der Hauspreisein den USA oder die enormen globalen Ungleichgewichte in den Handelsbilanzen. Da brauchte man nur bei der Auskunft des Statistischen Bundesamts anzurufen oder gute Experten zu konsultieren. Da hat oft gerade die Kenntnis steigender Kurse dazu geführt, dass noch mehr gekauft wurde. Und hier liegt ja der Kern des Problems. Was nicht so bekannt war, waren die Verflechtungen, die zu entsprechend höheren Folgeschäden führten.
Die kritische Frage war und ist in jeder dieser Euphoriephasen: ob dieser oder jener Anstieg auf Dauer trägt und wann die Marktstimmung kippt. Das ist aber keine Frage der Transparenz und Statistik, sondern eine der ökonomischen Logik und der Massenpsychologie. Wenn es an stabilisierenden Spekulanten mangelt – und das daran liegt, dass es keinen objektiven Maßstab für die vermeintlich richtigen und gleichgewichtigen Marktkurse gibt –, dann helfen auch noch mehr Transparenz und Information wenig. Dann ist einfach schwer zu sagen, wann aus einem gesunden Kursaufschwung eine Übertreibung wird.
Auch vor 2007 gab es Aufsichtsbehörden, die willens und entschlossen waren, die nächste Krise zu verhindern. Sie hatten – siehe Basel II – nur die falsche Vorstellung von Krise. Man könnte auch sagen: Mit ihren Regeln bekämpften sie die letzte Krise, die vorbei war, nicht die nächste, die vor der Tür stand. Was bestätigt, wie relativ die Erkenntnisse auch von Aufsehern sind. Worauf sie hätten
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