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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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achten sollen, stellt sich eben oft erst heraus, wenn es zu spät ist.
    Es gehört zur kollektiven Psychologie von Finanzblasen, wie sie Robert Shiller eindrucksvoll beschrieben hat, dass es in solchen Phasen eben schwer ist, sich dem Imperativ der täglichen positiven Nachrichten zu widersetzen. Schon weil in solchen Zeiten die Kreativität derer sprüht, die deklarieren, dass die Sache zwar nach früheren Maßstäben nicht tragbar zu sein scheint – aber diesmal aus etlichen Gründen alles anders ist.
    Ökonomisch sprach bei der New Economy alles dagegen, dass das Phänomen gewinnlos boomender Virtualfirmen tragfähig war. Im Eifer stetig steigender Kurse gab es aber genug Leute, die erklären konnten, warum die Firmen nur lang genug virtuell boomen müssen, um irgendwann auch real Gewinn zu machen. Ähnliches giltfür den Boom der Aktienkurse bis 2000. Der war im Grunde auch unvereinbar damit, dass die Realwirtschaft nicht ansatzweise so stark expandierte – was die Kurse ja eigentlich spiegeln sollten. Begründet wurde der Boom trotzdem, und sei es mit dem Nachholbedarf bei der Aktienkultur, was immer das ist. Das Phänomen hat es bei Rogoff und Carmen Reinhart zum Buchtitel gebracht: This Time is Different . Die Ökonomen legen auf Hunderten Seiten historischer Krisenanalyse dar, dass sich die Abläufe immer wiederholen und am Ende jede Blase platzt.
    Während eine Blase entsteht, werden es auch die schlauesten Aufseher immer schwer haben, den allseits verbreiteten Hochmut zu kontern. Was im Nachhinein klar zu sein scheint – wie der Unsinn der New Economy –, ist es solange eben nicht, wie die Sache noch nicht geplatzt ist. »In solchen Situationen kommt es zu Informationskaskaden«, schreibt Robert Shiller in seinem Buch Die Subprime-Lösung . Dann könne es sein, dass Leute ihre eigenen Informationen und Einschätzungen ignorieren (die im Zweifel gegen das Einsteigen in einen Boom sprechen), nur weil sie davon ausgehen, dass alle anderen ja nicht unrecht haben könnten. Auch da gilt: Da hilft dann halt die größte Transparenz nichts.
    ***
    Die Psycho-Logik von Finanzmarkttrends lässt auch an einem anderen vermeintlichen Wundermittel gegen Bankendebakel zweifeln: den Bankern mehr Verantwortung für eigene Fehler zu übertragen und im Schadensfall an der Beseitigung zu beteiligen. Wobei der Befund auch hier als zwingend erscheint: Weil die Banken so gewichtig geworden sind, dass es ganze Volkswirtschaften in den Ruin zu ziehen droht, wenn man sie pleite gehen lässt, werden sie in Krisen immer gerettet. Dieses Wissen verführe die Banker dazu, unverhältnismäßig hohe Risiken einzugehen – im Vertrauen darauf, auf jeden Fall gut davonzukommen. Im Fachjargon heißt das unschöne Phänomen: Moral Hazard.
    Wenn das stimmt, würde es Wunder wirken, den Bankern klarzumachen, dass sie im Krisenfall nicht mehr ungeschoren davonkommen und für eigene Exzesse zahlen müssen. Hätte mancher Bankmanagergewusst, dass es ihm drohen könnte, für überzogene Zuversicht in steigende Immobilienkurse einmal teuer zu bezahlen, hätte er nicht so viele Immobilien kaufen und entsprechende Kredite verbriefen lassen. Dann dürfte es viele gewagte Transaktionen gar nicht mehr geben.
    Dann wäre es hilfreich, Bankenrettungsfonds einzurichten, die im Notfall zur Rettung bereit stehen, aber von den Banken selbst zu finanzieren sind. Weil Banken selbst Geld einzahlen müssten, das sie verlieren, wenn es zum Crash kommt. Dann wären auch Modelle toll, bei denen vorher klargestellt wird, dass Gläubiger von Banken im Pleitefall herangezogen werden, wie es im Liikanen-Bericht unter dem Stichwort Bail-in empfohlen wird. Dann würde es auch Wunder wirken, ein ordentliches und klares Insolvenzverfahren für Staaten zu haben, mit dem auch hier dafür gesorgt wäre, dass die Pleite als Möglichkeit klar definiert ist – und keiner mehr darauf hoffen kann, dran vorbeizukommen.
    Für manche ist der Moral Hazard gar der einzige Grund für Marktversagen. Sprich: Wenn es eine richtige Insolvenzordnung und Verantwortung gäbe, würden Finanzmärkte endlich perfekt wirken können. Fragt sich nur, ob die Theorie stimmt – und ob der Moral Hazard so eine Rolle spielt, wenn es zu Finanzblasen kommt.
    Ob Manager erst im Vertrauen auf Rettung jede Vernunft ablegen, lässt sich bei näherem Hinsehen bezweifeln. Wenn die eine oder andere Bank durch Bail-outs gerettet wurde, bedeutete das ja nicht, dass der betreffende Manager das überstanden hat.

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