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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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Das Risiko ist groß, dass die Aufseher dies, angesteckt von einer allgemeinen Euphorie, selbst nicht erkennen, dass sie von Finanzjongleuren schwindelig geredet werden oder nicht den Mut haben, in so schönen Zeiten Spielverderber zu sein. Es gilt auch, beim Regulieren wirklich nur die schlechten Kreditgeschäfte zu stoppen – und nicht versehentlich auch die guten. Abgesehen davon, dass jede gute Reform einen Beitrag leisten sollte, neues Geld umzuleiten: weg von denen, die durch 30 Jahre Finanzirrsinn reich wurden (und es an sich ja auch bleiben sollen), zu denen, die das Geld eher nutzen würden, um es auszugeben oder für wichtigere Dinge zu investieren. Da steckt mehr gesellschaftlicher Nutzen drin.
    Um die optimale Formel in einen Satz zu bringen: Es geht darum, den Eifer auf Reformen zu konzentrieren, die das Volumen der Finanzströme spürbar abbauen helfen, die auf Automatismen setzen, mit denen bei über- oder unterschießenden Märkten sofort korrigierende antizyklische Anreize aktiviert werden, und die auf dieVermeidung wirtschaftlicher Schäden abzielen, weil sie irre Finanzjonglierer treffen und sinnvolle Bankgeschäfte verschonen.
    Wenn die fünf Grunddiagnosen stimmen, ist das Risiko bei Reformen, die das erfüllen, gering, dass mit ihnen an den Symptomen vergangener Krisen laboriert wird. Dann ist es im Idealfall auch unnötig, einzeln einzugreifen oder stetig neue Gesetze zu verfassen, um dieses oder jenes neue Finanzprodukt zu regulieren. Dann gibt es für Bankenlobbyisten auch wenige Möglichkeiten, diese oder jene Regel zu kippen. Dann lässt sich der Ausstiegsversuch auf ein paar schlagkräftige Reformen begrenzen.
    Wie es nicht geht – der nett gemeinte Unsinn
    Gemessen an diesen Kriterien lässt sich aussortieren, was unter den gängig gehandelten strukturellen Veränderungen wirklich nützlich und was nur Kosmetik oder kontraproduktiv ist. Fangen wir mit dem mehr oder weniger Unsinnigen an.
    Schon in den vergangenen Jahren haben sich alle Versuche als ziemlich unsinnig erwiesen, die Bilanzen einzelner Banken zum Maßstab für ein gesundes Finanzsystem zu machen, so wie es als Reaktion auf Asienkrise und New-Economy-Crahs noch im zweiten Basel-Abkommen verschrieben wurde. Das klingt zwar naheliegend, ging aber nach hinten los. Warum? Weil Bilanzchecks in Zeiten fortschreitender Finanzblasen trügerisch toll ausfallen. Je irrer die Vermögenswerte hochschießen, desto größer scheint in solchen Zeiten der ausgewiesene Reichtum der Banken zu sein. Wie fatal es wirken kann, beim Regulieren nur auf die Bilanzzahlen zu gucken, hat sich auf dramatische Art bei den Basel-II-Regeln gezeigt, nach denen Banken vor allem ein (bescheidenes) Minimum an Eigenkapital vorhalten mussten – was in überschwänglichen Zeiten easy ist und dann sogar den Druck nimmt, Rücklagen zu bilden und für schlechtere Zeiten vorzubeugen.
    »Jede einzelne Bank hatte nie stärker und robuster gewirkt als nach den Kriterien von Basel II im Juli 2007«, also zu dem Zeitpunkt, in dem die Krise ausbrach, unkte Charles Goodhart zweiJahre später. Die Regeln gingen völlig an den systemischen Risiken vorbei, um die es jetzt ging. Was die Vermögensblasen de facto noch verstärkt hat. Als die Blase platzte, war keine Bank darauf vorbereitet, obwohl alle regelgetreu vorher ihre Quoten eingehalten hatten.
    Beim Absturz wirkten die kruden Basel-Formeln dann ebenso fatal. Jetzt mussten die Banken in Zeiten krisenbedingt schwindender Eigenkapitalausstattung ihre Eigenkapitalquoten wieder anzuheben versuchen – was das Risiko barg, dass sie ihr Kreditangebot in einer sich ohnehin schon selbst verstärkenden Abwärtsspirale kappten. Sprich: Die alten Regeln verstärkten im Boom wie im Crash nur die Prozyklik der Finanzmärkte. Ein Desaster, das selbst die Urväter dieser unsinnigen Regulierungsversuche in der Krise nach 2007 erkannten.
    Etwas Ähnliches gilt für das angebliche Wundermittel bankinterner Risikomodelle , mit denen Fondsmanager sich selbst zu beruhigen versuchten. Die Tücke dieser Modelle: Das Risiko wurde mathematisch aus den Erfahrungen der jeweils letzten Jahre abgeleitet, in denen es keine großen Crashs geschweige Jahrhundertschocks gab. Was dazu führte, dass letztere als Möglichkeit mathematisch auch nicht vorkamen. In der Finanzkrise seit 2007 habe sich dann gezeigt, dass es den gängigen Risikomodellen der Banken inhärent an der Fähigkeit mangelte, Ereignisse zu berücksichtigen, deren Wahrscheinlichkeit

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