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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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Finanzmärkten zu verstärken, gelegentlich sogar auszulösen. Was die Agenturleute in der Praxis schon dazu veranlasst hat, lieber vorsichtiger zu agieren. Laufen sie, um sicher zu gehen, den Markttrends dann aber hinterher, fragt sich, warum man sie braucht – da doch die Märkte den Trend ohnehin schon setzen. In beiden Fällen wirken sie im Zweifeltückisch und verstärken den fatalen Hang der Finanzwelt, sich in Überschwang und Krisen zu steigern. Zumal die Agenturen es im Zweifel auch nicht besser wissen und Turbulenzen erst erkennen, wenn sie da sind, so wie vor Ausbruch der Finanzkrise 2007. Wenn Märkte umgekehrt prima funktionieren und Informationen verarbeiten, braucht man auch keine Agenturen.
    Wenn all das stimmt, wäre es konsequent, solche Ratingagenturen zu verbieten. Zumal es mit einem demokratischen Grundverständnis schwer vereinbar erscheint, wenn ein paar Analysten mit ihren Noten de facto darüber urteilen, wie gut eine Regierung ihr Land führt, und indirekt auch mal für einen Regierungswechsel sorgen – siehe Griechenland, siehe Italien. Sollte so ein Urteil nicht dem Volk vorbehalten bleiben? Zumal die Richtersprüche von Moody’s und Co. auch deshalb angreifbar sind, weil sich ökonomisch oft darüber streiten lässt, welche Wirtschaftspolitik in dieser oder jener Situation besser ist. Da gibt es keine Wahrheit.
    Dem Verbotsansinnen ließe sich entgegenhalten, dass es aus denselben demokratischen Erwägungen nicht geht, Meinungsäußerungen zu unterbinden, wenn es um wirtschaftspolitische Schicksalsfragen geht. Wer wollte verbieten, dass Analysten wie andere normale Menschen auch ihr Urteil zur Lage in einem Land und zur Richtigkeit seiner Wirtschaftspolitik kundtun? Wenn es dafür Nachfrage gibt und Anleger solche Einschätzungen haben wollen, ließe sich so etwas im Zeitalter von Internet und Facebook ohnehin schlecht verhindern.
    Schon etwas realistischer ist da die etwas weniger rabiate Idee, Ratingagenturen schlicht stärker dafür verantwortlich zu machen, was sie an Fehlprognosen und -diagnosen anstellen. Allerdings ist auch das bei näherer Betrachtung nicht so einfach. Woran soll sich die Verantwortung messen? Wenn eine Agentur ein Land herunterstuft und dieses anschließend an den Finanzmärkten tatsächlich unter Druck gerät, scheint der Absturz das Urteil ja zu bestätigen. Egal ob es dafür hinreichend fundamentale Gründe gab, das erfüllt sich wie üblich an Finanzmärkten schnell von selbst. Und ob das ursprüngliche Urteil gerechtfertigt war, lässt sich selten eindeutig festmachen, wenn selbst Wirtschaftswissenschaftler über solche Befunde meist streiten.
    Selbst nachdem sich 2012 die Warnungen vor einer blinden Austeritätspolitik in den Euro-Ländern bitter bestätigt hatten, war die Einsicht bei manchen Geldgebern eher begrenzt. Da wird es schwer fallen, juristisch unangreifbar festzumachen, dass es unverantwortlich war, wie die Ratingagenturen zu eben dieser Politik gedrängt haben. Ähnliches gilt für die Fehlurteile zur Bankensolidität 2007, die die Ratingagenturen inmitten kollektiver Euphorie (oder Depression) gefällt haben, weil es für jeden schwer ist, sich von der kollektiven Logik zu lösen. Ist das justiziabel?
    Womöglich hilft es daher auch nur bedingt, noch mehr Ratingagenturen zu gründen, um die Konkurrenz zu beleben. Oder eine europäische Konkurrenzagentur zu schaffen, die der vermeintlichen US-Dominanz und Euro-Skepsis eine kontinentale Sicht entgegensetzt. Klar, die etablierten drei Agenturen (Moody’s, S & P und Fitch) können durch so eine neue Konkurrenz unter stärkeren Legitimierungsdruck kommen, ihre Urteile auch gut zu begründen. Und es gibt gelegentlich Anlass zu der Vermutung, dass angloamerikanisch geprägte Ratingagenturen mit ihrem Heimland nicht so kritisch umgehen wie mit den ungeliebten Kontinentaleuropäern; Briten wie Amerikaner haben ja nicht weniger Schulden als die Spanier.
    Die Frage ist nur, ob die Tücken der Ratingaktivitäten durch ihre Vervielfachung zu beseitigen sind. Wenn die Agenturen im Kern auch nicht mehr und nicht besser wissen, wo der richtige Kurs für einen Vermögenswert liegt, laufen sie am Ende ebenfalls Trends und Herdentrieben hinterher. Dann gilt nur dasselbe wie für die Finanzmärkte insgesamt. Dann wird der Herdentrieb bei entsprechendem Hang zur Konformität mit jeder weiteren Ratingagentur am Markt nur noch wuchtiger. Dann wird das Problem größer, nicht kleiner. Schon die bisherigen

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