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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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Handeln bis zum Verbot. Peer Steinbrück forderte, die Algorithmen genehmigungspflichtig zu machen und vorher durch Aufsichtsämter auf Schädlichkeit der eingepflegten Handelsstrategie prüfen zu lassen. Vermeintlich schädliche Strategien müssten dann verboten werden. Was das bringt, werden wir gleich ausloten.
    Eine weitere Handelsart, die es nach Einschätzung von Kritikern stark zu regulieren oder zu verbieten gilt, ist der freie und unregulierteHandel mit Derivaten – also mit den Wetten auf die künftige Entwicklung von Finanzkursen. Ein Großteil dieser Geschäfte wird seit Beschleunigung der Märkte jenseits amtlicher Börsen getätigt, im Fachjargon: over the counter (OTC). Diese Geschäfte sind keiner Behörde bekannt, und es gibt auch keine detaillierteren Informationen. Sie erklären de facto einen Großteil des Leverage, sagt Finanzmarktexperte Schulmeister – also der Fähigkeit, aus einem Dollar oder Euro ein Mehrfaches zu machen, indem man mit dem virtuellen Wert des einen Papiers das nächste finanziert.
    Den OTC-Handel zu regulieren, war schon Ziel der Staats- und Regierungschefs der G-20 im Herbst 2009. Auch die EU-Kommission hat eine Verordnung entworfen, die das Einrichten von Zwischenstellen (Central Counterparties) verlangt und 2013 in Kraft tritt. Und auch hier gibt es radikalere Ideen – bis zum Komplettverbot aller OTC-Geschäfte. Demzufolge müsste der Derivathandel künftig über Börsen oder andere zentrale Stellen abgewickelt werden. Auch sei denkbar, den regulären Handel dadurch zu bevorzugen, dass er geringere Standards erfüllen müsse, heißt es in Reformvorschlägen der SPD.
    Eine dritte Variante der Einschränkung gewichtiger spekulativer Finanzgeschäfte trifft den Eigenhandel der Banken, bei dem die Banken auf eigene Rechnung kaufen und verkaufen, und nicht für Kunden. Was seit den späten 90er Jahren einen regelrechten Boom erfahren hat und zu einem der großen Spielplätze der Finanzwelt wurde. Klar: Wenn ohne direkte Kundenbindung gehandelt wird, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Geschäfte in die Kategorie reiner Spekulation fallen. Dann gibt es ja per Definition keine realwirtschaftliche Bestimmung.
    Auch hier gibt es mittlerweile über die Grenzen hinweg einen weitgehenden Konsens (zumindest außerhalb der Bankenbranche), dass zu viel Eigenhandel nicht gut ist – zumindest wenn die entsprechenden Risiken am Ende auf das normale Bankengeschäft zurückfallen. Als potenzielle Gegenmittel kursieren Vorschläge, wonach alle Banken, die so einen Eigenhandel betreiben, einfach keine Spareinlagen mehr entgegen nehmen dürfen, um die Ersparnisse nicht durch mögliche Verluste dort in Gefahr zu bringen; außerdemdürfe es solchen Eigenhändlern nicht mehr möglich sein, einfach auf Zentralbankgeld zurückzugreifen. Hintergrund dieser Idee: Wenn beides nicht mehr möglich wäre, gebe es auch weniger Sicherheit durch Querfinanzierung – was beides zusammen zu deutlich vorsichtigerem Verhalten animieren würde.
    ***
    Es spricht auch einiges dafür, dass etwa der Hochfrequenzhandel gebremst würde und die Wahrscheinlichkeit absurder Flash Crashs geringer wäre, wenn die entsprechenden Algorithmen vorher gecheckt werden würden. Es spricht allerdings mindestens genau so viel dafür, dass auch so ein Check noch wenig an der grundsätzlichen Prozyklik ändert. Und er dürfte auch wenig daran ändern, dass mathematische Formeln wenig geeignet sind, unwahrscheinliche, aber folgenschwere Ereignisse an den Finanzmärkten hinreichend gut einzuordnen. Zumal so ein Flash Crash, wie er im Mai 2010 via Hochfrequenzhandel ausgelöst wurde, zwar absurd und für Einzelne auch gefährlich ist, aber sicher zu den geringeren Problemen der Finanzglobalisierung zählt. Zumal wenn, wie eben damals, die Kurse binnen weniger Minuten auch wieder auf alte Niveaus zurück kehren. Wen kratzt das?
    Das tiefere Dilemma, dass Algorithmen die Prozyklik der Finanzmärkte tendenziell verstärken, ist durch ein bisschen Aufsicht und das Aussortieren böser Formeln nicht behoben. Dafür braucht es mehr.
    Ähnliches gilt für die Regulierung des OTC-Handels mit Derivaten. Wenn diese Geschäfte offiziell registriert werden müssten, ließen sich gewiss einige Händler abschrecken, aber an der Eigenlogik dieses Handels würde sich nichts ändern, da der Herdentrieb ja nicht im Kriminellenmilieu verwurzelt ist. Es geht immer um ganz menschliche Reflexe – und Finanzmärkte belohnen de facto nun erst

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