Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
Notenbanker müssen in Panik eingreifen, wie die Schweizer im Herbst 2011, wenn die Märkte wieder eine Welle reiten und die eigene Währung atemberaubend hochtreiben; ebenso wie Japans Währungshüter seit den 90er Jahren immer wieder. Die Schweizer kündigten damals einen Zielkurs an. Schon war Ruhe. Freiheit geht anders.
All das passiert eher ad hoc und nach nationalem Gutdünken, ohne System, ohne feste Regeln, wann eine Intervention legitim oder ökonomisch begründbar ist und wie sie zu geschehen hat. Da fehlen spätestens bei globaler Betrachtung ökonomischer Sinn und Zweck. Wenn die einen ihre Währung billig halten, heißt das per Definition, dass andere zu teuer sind – zu einem Wechselkurs gehören immer zwei. Da fehlt Unternehmen, Anlegern und Regierungen eine vernünftige Kalkulationsgrundlage im internationalen Geschäft. Und da kann aus so einem Anarcho-Zustand schnell ein weltweiter Abwertungswettlauf werden wie in den 30er Jahren; was damals den globalen Handel und die Wirtschaft kollabieren ließ und dazu führte, dass gegen Ende des Krieges in Bretton Woods ein Nachkriegssystem fester Kurse beschlossen wurde.
Jetzt könnte man sagen, dass das Problem in den ganzen Interventionen liegt und bei freien Kursen alles prima wäre. Wir habengesehen, dass das eher Unsinn ist, zumal die Praxis gezeigt hat, dass es ohnehin schwer würde, so ein Laissez-faire unter allen Umständen beizubehalten. Dort wo Wechselkurse am Markt frei bestimmt wurden, gab es, wie wir oben (Kapitel I.2) gesehen haben, die typischen Irrungen. Da habe die Entwicklung mit der realen Wirtschaft oft wenig zu tun, sagt der Wirtschaftssachverständige Peter Bofinger – entgegen aller Theorie, wonach die Kurse für Ausgleich sorgen sollten, wenn von Land zu Land die Preise unterschiedlich steigen (für Ökonomen: die Kaufkraftparitätentheorie).
Wenn das so ist, bleibt als Alternative entweder der Status quo – oder die Rückkehr zu einem Weltwährungssystem mit begründbar festeren Kursen. Wobei sich aus den Tücken und Mängeln des Bretton-Woods-Systems der Nachkriegszeit viel lernen ließe.
Damals musste jedes Land seine Währung zu einem vorab festgelegten Kurs an den Dollar binden; Westdeutschland tat das 1949. Von da an durften die Kurse nur noch in einer Bandbreite von einem Prozent schwanken, was zu hoher Stabilität und Kalkulationssicherheit beitrug. Gab es Druck zu Auf- oder Abwertung, mussten die Notenbanken intervenieren, um den Kurs zu stabilisieren. Ausnahme: Bei fundamentalen Ungleichgewichten oder größeren Schocks durften die Kurse angepasst werden – nach politischer Entscheidung.
Genau hier lag einer der Mängel des Systems. Zwar war die Anpassung von Kursen möglich, jedoch gab es keinen entsprechenden Automatismus. Stattdessen mussten jeweils politische Beschlüsse getroffen werden. Was zu zähen Kämpfen führte, wie in der Bundesrepublik, wo zwischen 1967 und 1969 lange gestritten wurde, ob die Mark nun endlich aufgewertet werden solle – was nach Jahren realer Unterbewertung und angesichts gefährlich hoher Außenüberschüsse nötig zu sein schien. In der Großen Koalition war der SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller dafür, der CSU-Finanzminister Franz-Josef Strauß dagegen. Die Anpassung kam erst im Herbst 1969, als das System bereits auf den Kollaps zusteuerte.
Als zweite große Tücke erwies sich, dass der Dollar als Maßeinheit für das System gleichsam zur Reservewährung wurde – und die USA damit de facto auch dafür zuständig waren, weltweit genug Liquiditätzu gewährleisten, mehr als es nach eigenem nationalem Bedarf nötig war. Was die Fed früher oder später überforderte. Nach etlichen Interventionen kumulierten überall die Dollar-Reserven – bei stetig steigenden Defiziten in der US-amerikanischen Leistungsbilanz.
Beide Tücken zusammen trugen zum Ende des Bretton-Woods-Systems 1973 bei. Was nicht heißt, dass man es nicht besser machen könnte – zumal wenn die Alternative freier Wechselkurse, die unter Ökonomen damals als Heilslehre galt, ganz offenkundig noch weniger funktioniert hat. 2
Aus der Erfahrung lässt sich lernen, dass es zwar stabilisierend wirkt, Kurse festzulegen, weil das Kalkulationssicherheit bietet und vor Manipulationen schützt. Es scheint nur sinnvoll zu sein, ebenso feste Regeln dafür festzulegen, wann und wie die Kurse anzupassen sind, wenn die wirtschaftliche Entwicklung zwischen zwei Ländern auseinander driftet. Damit darüber nicht ewig politisch
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