Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
oder mittleres Land die Steuer einführen würde. Nur gibt es schon eine ganze Reihe Länder, die mitmachen würden. Zudem deuten Studien darauf hin, dass es an den traditionellen Standorten für Finanzgeschäfte so viele eingeübte Netzwerke gibt, dass eine höhere Besteuerung nicht gleich zur Flucht führen würde. Wie in den Plänen der EU-Expertengruppe vorgesehen, ließe sich allzu viel Geldflucht auch dadurch verhindern, dass die Steuer in dem Land zu zahlen ist, in dem die betreffende Bank oder der betreffende Käufer eines Wertpapiers ansässig ist. Da hilft dann auch kein Verschieben von Geld per Knopfdruck mehr.
In Großbritannien gibt es seit jeher eine Steuer von immerhin 0,5 Prozent auf Aktiengeschäfte (»stamp duty«) – das hat zumindest nicht verhindert, dass London zu einem der größten Finanzplätze der Welt wurde. Oder dies geblieben ist.
Bliebe als Einwand noch die Sorge, die Kosten müssten am Ende die Sparer tragen, weil die Banken die Steuer einfach auf Tante Erna überwälzen. Klingt beängstigend. Wenn aufgrund der Steuer gewisse Aktivitäten ganz ausbleiben, gibt es hier allerdings auch keine zusätzlichen Kosten, die es überzuwälzen gälte. Für einen Großteil des Normalgeschäfts dürfte die Minimalsteuer andererseits ohnehin kaum ins Gewicht fallen. Und es wäre aus Sicht von Tante Erna natürlich auch gegenzurechnen, was im Falle weiterhin ungezügelterFinanztransaktionen an Kosten auf sie zukäme. Vielleicht ist es besser, jetzt ein bisschen mehr Steuern zu zahlen, als in ein paar Jahren der nächstschlimmeren Finanzkrise ausgesetzt zu sein – und dann wieder dreistellige Milliarden Steuergelder mobilisieren zu müssen, um Banken zu retten, die sich schön steuerfrei in den nächsten Wahn getrieben haben.
Es ist ja rührend, dass die Sorge um Tante Erna auffällig oft von denen geäußert wird, die am Markt die eine oder andere Milliarde pro Stunde verschieben. Dabei sei auch denkbar, Kleinsparer zum Ausgleich grundsätzlich von der Steuer auf Finanztransaktionen auszunehmen oder ihnen die Steuerzahlungen mit der Jahresabrechnung zu erstatten, schlägt Sony Kapoor vor. Dann würde die Abgabe de facto progressiv wirken – je mehr gehandelt wird, umso stärker. Das würde noch gezielter Hedgefonds, Investmentbanken und große Fondsgesellschaften treffen.
Letzter möglicher Einwand: Die Sache kommt ohnehin nicht, weil niemals alle mitmachen. Wer weiß? Die CDU hat seit Mitte 2011 für eine Finanztransaktionssteuer plädiert. Auf deutsch-französische Initiative entwarf die EU-Kommission kurz darauf auch ein Modell, wonach es EU-weit eine Steuer von 0,1 Prozent auf Aktienund Anleiheumsätze und von 0,01 Prozent auf Derivate geben soll. Was 2012 dann immerhin elf Länder auf eigene Faust umzusetzen begannen und Anfang 2013 so beschlossen wurde. Noch nicht genug für die große Wende. Nur hätte vor ein paar Jahren selbst so ein Ergebnis niemand erwartet. Und: Wenn nicht irgendwann jemand anfängt, kann es auch nichts werden.
Es bleibt schwer, die Effekte einer Finanztransaktionssteuer exakt abzuschätzen. Dazu mangelt es an vergleichbaren Präzedenzfällen. Es ist nur sehr bedingt vorherzusehen, wie schnell Investoren auf eine solche Steuer reagieren und ihre Geschäfte zurückfahren. Nur spricht das ja nicht gegen die Steuer, zumal beide Effekte eben ihr Gutes haben: ob die Reduzierung spekulativen Handels – oder staatliche Mehreinnahmen für bessere Zwecke. Gefährlich würde es erst, wenn durch die Steuer jene Finanzgeschäfte einbrächen, die nötig sind, um die reale Wirtschaft tagtäglich zu finanzieren, – was aber bei den vorgeschlagenen Steuersätzen extrem unwahrscheinlichist. Im Notfall müssten die Sätze wieder gesenkt werden. Auch kein Grund, es nicht zu versuchen. Oder den Untergang des Abendlands zu prophezeien.
Nur so ließe sich ermitteln, ob und wie die Finanztransaktionssteuer in der Praxis wirkt. Im Erfolgsfall würde sich der Druck auf jene Länder erhöhen, die sich wie Großbritannien noch strikt dagegen sträuben. Es könnte ohnehin vernünftig sein, die Steuer sukzessive einzuführen. So schlägt Stephan Schulmeister vor, zunächst nur Geschäfte an Spot- und Derivatbörsen der EU zu besteuern, später auch den großen OTC-Handel, der an den Börsen vorbei geht – und dann auch die Devisengeschäfte, also den Handel mit Währungen. Schon um in der Zwischenzeit die Erfahrungen nach und nach auswerten zu können. Auch ließen sich die Sätze erstmal
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