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Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Wie Viel Bank Braucht der Mensch?

Titel: Wie Viel Bank Braucht der Mensch? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Fricke
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festzulegen, mit welchem Wechselkurs man überhaupt starten soll. Was in der Tat Potenzial für Fehlentscheidungen birgt: Beim Start in den Euro wurde auf Basis der Marktkurse ein viel zu hoher Umtauschkurs für die Mark festgelegt, was deutsche Exporteure für Jahre unnötig unter Druck setzte. Die Frage ist nur, ob das gegen ein solches System spricht – und ob der Status quo deshalb besser ist, wenn jeder vor sich hinentscheidet, ob er seine Währung jetzt mal ganz frei, halb frei oder gar nicht frei lässt. Dann lieber einmal Energie darauf verwenden, die ökonomisch vernünftigsten Einstiegskurse zu finden. Mehr als beim Euro.
    Ein zweiter Einwand gegen solche Festkurssysteme lautet, dass die Notenbanken auf kurz oder lang keine Chance gegen die Märktehaben, wenn letztere die Kurse testen. Was durch gelegentliche Erfahrungen bestätigt zu sein scheint, etwa die Crashs im Europäischen Währungssystem (EWS) 1992/93. Bei genauerem Hinsehen erweist sich auch dieser Einwand allerdings als nur bedingt stichhaltig (mal abgesehen davon, dass es ja Ziel des neuen Finanzsystems ist, die Macht der Märkte zu brechen, und sich das Problem dann nicht mehr so stellt).
    Machtlos sind de facto nur die Notenbanken, deren Währung schwächelt und verteidigt werden muss, weil sie zur Stützung fremde Währungen verkaufen müssen, die sie nicht unbegrenzt haben. Das ist bei der Notenbank, deren Währung spiegelbildlich (übertrieben) stark ist, nicht so. Sie kann das eigene nationale Geld, wenn nötig, unbegrenzt schaffen und auf den Markt werfen, was die schwächelnde Währung stärkt und den eigenen Kurs nicht weiter hochschießen lässt. Sie kann das eigene Geld dafür im Zweifel drucken. Die Notenbank, deren Währung verteidigt werden muss, kann eben keine fremde Währung ausgeben, was es dazu bräuchte.
    Dass Festkurse gegen den Markt nicht zu halten sind, gilt daher nur in Systemen, wo die Anpassungslast einseitig auf der Notenbank liegt, deren Währung angegriffen wird. Das war de facto beim Europäischen Währungssystem so. Zwar galt da offiziell, dass beide Seiten zu intervenieren hatten. Die starke Notenbank durfte anschließend aber gleich die Rechnung präsentieren und Ausgleich einfordern. Das machte die schwache Notenbank angreifbar, animierte Spekulanten zu attackieren und führte in der Krise 1992/93 zu reihenweisen Abstürzen. Erst als die (starke) Bundesbank zugunsten des französischen Francs intervenierte, war der Spuk vorüber. Was zu beweisen war. 4 Wenn die starke Notenbank mitmacht, hat der Markt keine Chance.
    Beiderseitige Eingriffspflichten gab es auch im Bretton-Woods-System, weshalb die Kurse lang hielten. Der Rest ist eine Sache der Glaubwürdigkeit. Wenn Regierungen und Notenbanken keinenZweifel lassen, das System im Notfall mit allen Mitteln zu verteidigen, wird kein Spekulant riskieren, dagegenzuhalten und sich die Finger zu verbrennen. Die Notenbanker haben ja potenziell unbegrenzte Möglichkeiten. Sie müssen nur wollen.
    Bliebe als Einwand auch hier, dass ohnehin nicht alle mitmachen würden. Noch wirkt in den USA das Motto nach: Der Dollar ist unsere Währung, aber euer Problem. Nur könnte sich das durchaus ändern. Gerade US-Politiker reagieren mittlerweile sensibel, wenn es um die globalen Ungleichgewichte zwischen Überschuss- und Defizitländern geht. Da kam der frühere US-Finanzminister Timothy Geithner auch schon mal mit dem Vorschlag, Obergrenzen für Leistungsbilanzüberschüsse festzulegen, was in Deutschland als Angriff auf die Exporte (miss-)verstanden wurde. Oder die Chinesen zur Aufwertung ihrer Währung zu drängen.
    Etwas Ähnliches gab es gegen Ende des Zweiten Weltkriegs schon einmal – nur mit umgekehrten Vorzeichen. Damals hatten die Amerikaner Überschüsse und sahen nicht ein, dass sie zum Abbau von Ungleichgewichten beitragen sollten. Was Keynes anlässlich der Bretton-Woods-Konferenz zu dem Vorschlag brachte, direkte Anreize für Überschussländer zu schaffen, damit diese ihre Überschüsse abbauen und zum Beispiel ihre Binnennachfrage und somit ihren Import ankurbeln.
    Der Deal könnte lohnen. Warum nicht beides miteinander verbinden, wie es auch Keynes schon vorschwebte: ein internationales System festerer Wechselkurse nach fortentwickeltem Modell (wie oben) – und zugleich Anreize (oder Sanktionen) schaffen, damit die betreffenden Länder ihre gefährlichen Überschüsse und Defizite in den Leistungsbilanzen von selbst begrenzen. Das könnte dann auch die bisher

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