Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
gefeilscht wird und die Kurse dann viel zu spät angepasst werden.
Solche Regeln für automatische Kursanpassungen ließen sich ökonomisch aus dem ableiten, was unter Wirtschaftswissenschaftlern weitgehend als Konsens gilt: dass Wechselkurse auf Dauer dafür sorgen sollten, unterschiedliche Preisniveaus und Kaufkraftverluste zwischen zwei Ländern auszugleichen. Wenn das stimmt, kann in einem neuen System die Regel aufgestellt werden, dass eine Währung abwerten muss, sobald die Inflation im Inland spürbar höher ist als im Ausland – das lässt sich auch gut messen. Und: Wird der Wechselkurs so stark abgewertet, wie es dem Abstand zwischen den Teuerungsraten entspricht, bleibt der preisbereinigte Wechselkurs konstant. Was auch für die Praxis von Exporteuren wichtig ist, weil es für hohe Kalkulationssicherheit sorgt. Die Wechselkurse ändern sich dann nur in dem Ausmaß, in dem sich die allgemeinen Preisrelationen verschieben – was Ausreißer aus Sicht eines Ex- oder Importeurs ausgleicht. Ein Modell, dasunter anderem vom früheren UNCTAD-Chefökonom Heiner Flassbeck empfohlen wird.
Ökonomisch ist das stimmig. Bei höherer Inflation ist die Gefahr groß, dass ein Land auch hohe Defizite im Außenhandel einfährt, was auf Dauer zu untragbar hoher Verschuldung führt. Dann muss nach gängiger Lehre die Währung abwerten – was sie im vorgeschlagenen System automatisch macht. Bei völlig festen Kursen würde die Korrektur ausbleiben, bei freien drohte entsprechendes Überschießen – oder sogar das Gegenteil, wie wir gesehen haben. Stichwort: Carry Trades. 3
Eine Variante dieses Modells ist, die Anpassungen nicht direkt an die Inflations-, sondern an die Zinsunterschiede zu binden, wie es Peter Bofinger in einer Studie für die UNCTAD 2011 vorschlug. Das Prinzip ist dasselbe, weil in Ländern mit hoher Inflation normalerweise auch die Zinsen höher sind – und umgekehrt. Wenn das so ist, ist es auch möglich, die Wechselkurse gemäß der Zins- statt der Inflationsunterschiede anzupassen. Sprich: Ein Land, in dem die Zinsen höher sind als in einem anderen, muss die Währung zum Ausgleich um eben diese Differenz abwerten – und umgekehrt. Vorteil: Die Kurzfristzinsen, die dazu als Grundlage dienen, werden sogar täglich an den Märkten ermittelt, so Bofinger.
Für jede Währung würde im neuen Währungssystem je nach Inflations- oder Zinsgefälle ein Ab- oder Aufwertungspfad festgelegt; die Notenbanken sorgen notfalls dafür. Liegt die heimische Inflation um zwei Prozentpunkte höher als in einem anderen Land, wird die eigene Währung Jahr für Jahr gegenüber dieser anderen Währung um zwei Prozent abgewertet. Was für Praktiker bedeutet, dass die Verhältnisse auf absehbare Zeit kalkulierbar sind: Anpassungen des Pfads gibt es nur, wenn sich Preise und Zinsen stärker oder schwächer als veranschlagt auseinander entwickeln. Das ist dann aber auch sinnvoll: Steigt das Preisniveau im Ausland schneller, wertet die heimische Währung auf, was das inländische Preisniveau im internationalen Vergleich hebt, so dass die Kostenrelationen wieder dieselben sind. So wie es die Märkte eigentlich auch machen sollten (aber nur sehr bedingt hinkriegen).
Nur bei wirklich gravierenden Schocks müssten die Kurse auch außerplanmäßig noch angepasst werden; wofür es allerdings hohe Hürden geben sollte, zumal die vermeintliche Wunderwaffe einer Abwertung sich in solchen Fällen oft auch schon als wenig hilfreich erwiesen hat. So hat Großbritannien das Pfund nach Ausbruch der Finanzkrise 2007 um mehr als 20 Prozent abwerten lassen, ohne dass dies zu spürbaren Marktanteilsgewinnen britischer Firmen geführt hätte.
Ein solches System würde den Vorteil stabiler Kalkulationsgrundlagen mit der nötigen Flexibilität bei tatsächlichem Auseinanderdriften beteiligter Volkswirtschaften kombinieren. Dann müsste nur noch dafür gesorgt werden, dass in so einem System nicht wie einst eine einzelne Währung wie der Dollar de facto zur Reservewährung wird. Auch hier gibt es bereits Vorschläge, darunter vom chinesischen Notenbankchef Zhou Xiaochuan schon 2009 sowie von Nobelpreisträger Joseph Stiglitz und dem Pariser Ökonomen Jean-Paul Fitoussi. Die Idee: Statt des Dollar sollte als Reserve künftig eine eigene Recheneinheit fungieren, etwa die Sonderziehungsrechte SDR, die der IWF bereits als Mittel zur Berechnung von Geschäften und Liquiditätszugaben nutzt.
Nun werden Skeptiker einwenden, dass es schwer ist
Weitere Kostenlose Bücher