Wie Viel Bank Braucht der Mensch?
Tohuwabohu als System.
Da haben US-Amerikaner und Briten in der Finanzkrise nach 2007 schnell klar gemacht, dass die eigenen Notenbanken notfalls alles an Staatsanleihen aufkaufen, um bloß keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass jeder Besitzer solcher Anleihen seinGeld trotz dramatisch gestiegener Staatsschulden zurück bekommt. Da gibt es auf der anderen Seite Länder wie Deutschland, die Narrenfreiheit zu haben scheinen, weil alle Welt ohnehin deutsche Anleihen kauft, selbst wenn die Staatsverschuldung auch nicht geringer ist als im Krisenstaat Spanien. Und da gibt es in der Euro-Zone Länder, die weder Narrenfreiheit noch Vollgarantie haben und plötzlich drastisch höhere Zinsen zahlen müssen, obwohl sie viel mehr zum Abbau ihrer Schulden tun als alle anderen. Welchen Zweck hat der Alarm der Finanzjongleure da?
Kurz: Da herrschen am Markt nicht die gleichen Maßstäbe, was zu absurden Ergebnissen führt. Etwa dass die Briten in der Krise kaum Zinsen zahlten, obwohl die Staatsschulden dort höher sind als in Spanien, wo die Zinsen mangels rascher Absicherung durch die Euro-Zentralbank teils über sieben Prozent hochschnellten. Oder dass eben der deutsche Finanzminister 2012 fast gratis Staatsschulden aufnehmen konnte – ein krasser Fehlanreiz.
Es spricht wie an den Devisenmärkten wenig dafür, dass das Ergebnis besser wäre, wenn nur die Marktjongleure frei von Manipulationen wirken könnten. Die Liste euphorisierter Fehleinschätzungen und ebenso absurder anschließender Paniken ist lang: vom Mexiko-Fall über Asien bis nach Griechenland. Auch ist es demokratisch nicht ewig tragbar, ein paar derart wankelmütige und offenbar überforderte Menschen wie die Händler von Staatsanleihen urteilen zu lassen, wie richtig oder falsch die Politik einer Regierung ist. Darüber sollten die betroffenen Menschen und ihre gewählten Vertreter entscheiden und nicht ein mythischer Markt oder Ratingagenturen, die im Nachhinein nicht zur Verantwortung gezogen werden – anders als die Politiker. Es kann nicht sein, dass Regierungen von den Akteuren an den Staatsanleihemärkten erst im Überschwang dazu animiert werden, Anleihen zu kaufen, sprich: die Verschuldung eher zu erhöhen als zu senken – und die Stimmung an den selben Märkten dann jäh kippt, Panik ausbricht und die Zinsen hochschießen, was die gerade noch gehätschelte Regierung geradewegs in die Schuldenfalle treibt. Da sollte man Finanzmarktakteure besser nicht mehr mit Schulden und Schicksal von Nationen spielen lassen.
Um so wünschenswerter wäre es, zu jenem Zustand zurückzukehren, der lange als gang und gäbe galt: dass Staatsanleihen in reicheren Ländern als sichere Anlagen einzustufen und konservativen Anlegern zu empfehlen sind. Ein Finanzsystem braucht womöglich solche Pole, um glatt zu funktionieren. Das böte auch eine hohe Gewähr, dass es zu Panikverkäufen gar nicht kommt, also auch zu keinen (unnützen) Staatspleitekrisen. Dann muss es nur andere Mechanismen geben, um Anreize zu schaffen, dass Regierungen ihre Staatsschulden unter Kontrolle halten. Die braucht es angesichts des Märkteversagens allerdings ohnehin.
Der beste Beitrag zur Vermeidung künftiger Staatsschuldenkrisen wäre angesichts der jüngsten Erfahrungen, schlicht und einfach keine Bankenkrisen mehr zuzulassen. Ohne Bankenkrise gäbe es heute auch keine derart explodierten Staatsschulden, sondern wie 2007, vor Ausbruch der Krise, historisch eher niedrige. Schwierig. Helfen würde hier wie auf den anderen Finanzmärkten zudem, jene Transaktionssteuer einzuführen, die Sand ins Getriebe streut, um Panikwellen zu begrenzen. Auch wenn das noch nicht reichen wird, neue Krisen ganz zu vermeiden.
Entsprechend wichtig wäre, darüber hinaus einen Staatsanleihemarkt zu schaffen, auf dem Papiere nur unter starken Schutzbedingungen gehandelt werden. Da braucht es einen »Lender of last resort«, einen Geldgeber der letzten Instanz, sprich: Notenbanken oder Aufsichtsbehörden, die Staatsanleihen in Notfällen garantieren. So wie Einlagensicherungssysteme dafür da sind, in potenziell eskalierender Panik Ersparnisse zu garantieren, um eine solche Panik mitsamt ihrer Bank-Runs gar nicht erst aufkommen zu lassen. Aus der Erfahrung, dass sich Finanzkrisen ohne solche Notsicherung schnell verselbständigen. Bei Briten und Amerikanern gibt es so eine Garantie de facto schon länger, weshalb dort auch niemand auf eine Staatspleite wettete und die Zinsen so niedrig blieben.
In der
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