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Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
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Aber die Kehrseite der fehlenden Struktur sei nagende Unsicherheit gewesen: »Bei Google war ich im Arbeitnehmerparadies, aber ich hatte dauernd das Gefühl, es nicht zu verdienen.«
(I’m Feeling Lucky. The Confessions of Google Employee Number 59,
London 2011
,
S. 126.)
    ******* In den USA ist die Arbeitszeit des Fünftels der Bevölkerung mit den niedrigsten Einkommen von 1986 bis 2004 um 26 Prozent gestiegen. Dieses Muster war allerdings nicht in allen Industrieländern zu beobachten; im OECD-Durchschnitt ist die Arbeitszeit der am schlechtesten bezahlten Bevölkerungsgruppe um 5 bis 10 Prozent gesunken. Siehe OECD,
Divided We Stand: Why Inequality Keeps Rising,
Paris 2011.

2    DER FAUSTISCHE HANDEL
    Wer bist du, Engel oder Teufel?
Versucher oder Schutz und Freund?
    T ATJANA in
Eugen Onegin.
    Keynes hatte ein ambivalentes Verhältnis zur kapitalistischen Zivilisation. Für ihn war es eine Zivilisation, die um guter Zwecke willen böse Geister entfesselte. Die Moral musste auf Eis gelegt werden, bis ein Zustand der Fülle erreicht war, denn mit der Fülle würde ein gutes Leben für alle möglich werden. »Für wenigstens noch einmal hundert Jahre«, schrieb Keynes, »müssen wir uns selbst und allen anderen vormachen, dass schön wüst ist und das Wüste schön, denn das Wüste ist nützlich und das Schöne ist es nicht. Geiz, Wucher und Vorsorge müssen für eine kleine Weile noch unsere Götter sein. Denn nur sie können uns aus dem Stollen der wirtschaftlichen Notwendigkeit in das Tageslicht führen.«[ 1 ] Keynes verstand, dass die kapitalistische Zivilisation sich mehr oder weniger bewusst dazu entschlossen hatte, Motive, die zuvor, wie es im Original heißt, als »foul«, also als schlecht, verdorben und schädlich galten, um der zukünftigen Belohnung willen gutzuheißen. Sie hatte sozusagen einen Pakt mit den Mächten der Finsternis geschlossen, wofür sie bekommen sollte, wovon die Menschen früherer Zeiten nur träumen konnten – eine Welt jenseits der Plackerei, des Kummers, der Gewalt und der Ungerechtigkeit des Lebens, wie es sich gegenwärtig verhielt. Wir nennen diesen Handel einen »faustischen«, zu Ehren des berühmten Doktors, der dem Teufel im Austausch für Wissen, Sinnesfreuden und Macht seine Seele verkaufte.
    Die Geschichte beginnt mit dem uralten Traum von einem Utopia und verwandelt sich später in das historische Projekt zur Erschaffung eines Paradieses auf Erden, das die Vorstellungskraft der westlichen Zivilisationendie letzten drei Jahrhunderte in seinem Bann geschlagen hielt und dem die menschliche Rasse auch heute noch einmal mehr, einmal weniger nachjagt. Unterwegs ging die Vorstellung, der menschliche Ehrgeiz sei moralischen Beschränkungen unterworfen, die alle vormodernen Konzepte des guten Lebens untermauerten, verloren, und die schlafenden Energien von Kreativität und Destruktivität wurden in der Hoffnung freigesetzt, die Menschheit auf einen Gipfel der Vollendung und der Beherrschung der natürlichen Welt zu führen. An unterschiedlichen Stationen dieser Reise versuchten die jeweils größten Denker ihrer Zeit, sich einen Endzustand auszumalen, einen Punkt, an dem die Menschheit »genug« sagen könnte, nur um festzustellen, dass die Maschine, die sie erschaffen hatte, außer Kontrolle geraten war, ein Frankenstein’sches Monster, das nun das Spiel des Fortschritts nach seiner eigenen, absurden Logik programmierte. Das hier ist die Geschichte davon, wie das alles sich zutrug – wie wir uns in den Traum von einem Fortschritt ohne Zweck und Reichtümern ohne Sinn verstricken konnten.
D IE I DEE VON EINEM U TOPIA: V OM T RAUM ZUR G ESCHICHTE
    Die Menschen haben schon immer von einer Welt ohne Leiden, ohne Ungerechtigkeit und vor allem ohne
Arbeit
geträumt. Adam und Eva werden in einen Garten gesetzt, in dem Gott der Herr »allerlei Bäume, lustig anzusehen und gut zu essen«, wachsen ließ. Die griechischen Dichter erzählen von einem »goldenen Zeitalter«, als »Frucht gab ihnen das nahrungsspendende Saatland« (Hesiod) und »von Wein floss jedes Bachbett […] Die Fische aber, nach Hause schwimmend, sich selber bratend, lagen wohl gelegentlich auf den Tischen bereit« (Telekleides).[ 2 ] An den Grundzügen dieser uralten Menschheitsfantasie hat sich in all den Jahrhunderten seitdem kaum etwas verändert. Das mittelalterliche Schlaraffenland war bevölkert mit gebratenen Schweinen, die mit Tranchiermessern im Rücken umherwanderten, und der »Big Rock

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