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Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)

Titel: Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Skidelsky , Edward Skidelsky
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Wenn ein Zyniker ein Mensch ist, der von allem den Preis kennt und von nichts den Wert, dann sind die globalen Finanzzentren Brutstätten des Zynismus.
    Keynes’ Irrtum lag in der Annahme, die vom Kapitalismus freigesetzte Liebe zum Gewinn könnte durch Fülle befriedigt werden und die Menschen somit frei werden, sich in einem zivilisierten Leben seiner Früchte zu erfreuen. Davon war er überzeugt, weil er dachte, der Mensch verfüge über eine festgelegte Menge an natürlichen Begierden. Er verstand nicht, dass der Kapitalismus eine neue Dynamik der Begierdenerzeugung in Gang setzte, die die traditionellen, durch Brauchtum und gesunden Menschenverstand definierten Beschränkungen hinwegfegen würde. Mit anderen Worten, ungeachtet unseres weitaus größeren Reichtums sind wir heute
weiter
von einem guten Leben entfernt, als das die Menschen in der traditionelleren Gesellschaft zu Keynes’ Lebzeiten waren. Der Kapitalismus hat beispiellose Fortschritte in der Erzeugung von Reichtum ermöglicht, aber uns zugleich der Fähigkeit beraubt, diesen Reichtum auf zivilisierte Weise zu nutzen.
    Wie konnte es geschehen, dass wir ein System errichteten, in dem die Gewinnsucht aus ihren moralischen Beschränkungen entlassen wurde? Und warum erscheint es uns heute nahezu unmöglich, den Geist, den wir riefen, zurück in die Flasche zu zwingen? Mit diesen Fragen befasst sich das nächste Kapitel.
                * Keynes antizipierte Robert Solows Wachstumsmodell. Solow zufolge wächst das BIP als Ergebnis des vermehrten Einsatzes der Faktoren Kapital und Arbeitskraft (Bevölkerung) und des technologischen Fortschritts. Wie die meisten Ökonomen nahm Keynes an, die Kapitalsättigung werde rückläufige Kapitelrenditen – jeder zusätzliche Einsatz von Kapital bringt weniger Rendite als der vorangehende – bewirken. Das weitere Wachstum des BIP würde demnach hauptsächlich von Verbesserungen bei der Qualität, nicht bei der Quantität des Kapitals, des materiellen wie des Humankapitals, abhängen, das heißt vom technischen Fortschritt. Damit das Pro-Kopf-Einkommen wachsen kann, muss nach diesem Modell der technische Fortschritt das Bevölkerungswachstum übertreffen.
              ** Diese Zahlen sind nach Kaufkraftparität errechnet, die ein Maß dafür ist, wie viel man für dasselbe Geld in unterschiedlichen Ländern kaufen kann.
            *** Die Haushalte wenden mehr Zeit für Einkaufen auf – zum einen, weil die Geschäfte weiter weg und größer sind, zum anderen, weil es praktisch nur noch Selbstbedienung gibt. Auch die Kinderziehung nimmt mehr Zeit in Anspruch, was eine veränderte Einstellung dazu widerspiegelt; zum Ausdruck kommt das in dem Begriff »Qualitätszeit«. Hingegen gehen die typischen Hausarbeiten wie Kochen und Putzen dank hilfreicher Haushaltsgeräte heute schneller von der Hand. Siehe dazu Jonathan Gershuny und Kimberly Fisher, »Leisure in the UK Across the 20th Century«, in: Albert H. Halsey und Josephine Webb (Hrsg.),
Twentieth-Century British Social Trends,
London 1999, S. 634.
          **** Die Interpretation der Daten ist nicht eindeutig. Die Sparquote der Haushalte ist in vielen westlichen Ländern dramatisch gefallen, was vermuten lässt, dass die Menschen nicht länger arbeiten, um für ihr Alter zu sparen, sondern um zu konsumieren. Aber es könnte auch sein, dass sie »sparen«, indem sie Immobilien erwerben oder Finanzinstrumente, die in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung als Investitionen zu Buche schlagen und nicht als Sparanlagen.
        ***** Tatsächlich fallen einem zwei Effekte ein. Entweder reduzieren die Reichen ihre Arbeitszeit schneller als die Armen, weil sie zusätzliches Einkommen weniger brauchen. Oder die Reichen und die Armen reduzieren ihre Arbeitszeit im Gleichschritt, aber die Reichen beginnen auf einem Niveau, auf dem sie bereits weniger arbeiten, und deshalb fällt die Reduzierung bei ihnen geringer aus.
      ****** Das Hauptquartier der Royal Bank of Scotland in Edinburgh, ein eindrucksvolles modernes Gebäude, ist entlang einer künstlichen Flaniermeile errichtet – mit Cafés, Drogerien, Blumengeschäften, einem Friseur usw. Die Bank ging 2009 bankrott. Siehe Alastair Darling,
Back from the Brink,
London 2011, S. 60. Douglas Edwards schreibt, im Hauptquartier von Google, dem Googleplex, »gab es viel mehr Unterhaltung als zu Hause«: Videospiele, Hüpfbälle, Tischfußball, Schüsseln voller M&M’s, eine Saftbar, ein Klavier.

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