Wie viel ist genug?: Vom Wachstumswahn zu einer Ökonomie des guten Lebens. (German Edition)
öffentlichen Wissens über das Einkommen und Vermögen von Menschen, wie sie in den Ranglisten des Reichtums wie etwa der alljährlich publizierten »Rich List« der
Sunday Times
zelebriert wird, hat sich der Wettkampf um mehr Geld von dem um mehr Konsum entkoppelt. In den oberen Etagen der Geschäftswelt wird Geld nicht mehr nur als ein Mittel zur Finanzierung von Konsum betrachtet, sondern auch als Ausweis überlegener Leistungen. Geld ist, wie es Howard Hunt, zu seinen Lebzeiten einer der reichsten Männer der Welt, einmal ausdrückte, »nur ein Mittel, um den Spielstand zu messen«.
Unbestreitbar haben gewisse Formen des relationalen Konsums willkommene Folgen gezeitigt. Ein Großteil der Philanthropie ist dem Geltungskonsum zu verdanken. Der Wunsch, andere mit dem eigenen Reichtum, der eigenen Macht oder dem eigenen Geschmack zu beeindrucken, hat unsere Städte mit großartigen Gebäuden geschmückt und die meisten Kunstwerke finanziert, die heute in unseren Museen ausgestellt sind. Ein ähnlicher Impuls lässt sich heute in dem Wettbewerb unter amerikanischen Milliardären beobachten, einen Teil ihres Vermögens herzuschenken. Doch, wie Keynes’ Freund, der Kunstkritiker Roger Fry, einmal anmerkte, erzeugt der Snobismus nur in Zeiten der Hochzivilisation eine kritische Masse an Objekten, die um ihrer selbst willen erstrebenswert sind.[ 33 ] Die meisten heutigen Wohltaten müssen durch utilitaristische Zwecke gerechtfertigt werden.
Offenkundig sind die individuellen und gesellschaftlichen Ursprünge der Unersättlichkeit miteinander verwoben. Viele als »gesellschaftlich knapp« beschriebene Güter sind vor allem wegen ihres Snob-Appeals knapp oder weil sie die Möglichkeit zu ostentativem Konsum bieten: ein Abschluss von einer Top-Universität besitzt über den Zugang zu Top-Jobs hinaus, den er einem erschließt, einen eigenständigen Snob-Wert. Menschen mit einem kultivierten Geschmack mögen »die schönsten Dinge des Lebens« um ihrer selbst willen lieben; durch ihre Anschaffung demonstrieren sie jedoch auch, dass sie über einen exquisiten Geschmack verfügen – und das nötige Kleingeld, diesem zu frönen. Linders gerätegespickte Freizeit ist nicht einfach das Spiegelbild eines individualistischen Strebens nach einem der Arbeit äquivalenten »Ertrag«, sie dient auch dem Vergleich der eigenen »Gadgets« – Geräte und Spielereien – mit denen der anderen. Dass wir über die Überschneidungen zwischen den individuellen und den gesellschaftlichen Ursprüngen der Unersättlichkeit so wenig wissen, liegt vor allem in der Art und Weise begründet, wie wir unsere Disziplinen unterteilen und dabei ihrem Verständnis des menschlichen Verhaltens strenge Grenzen auferlegen.
Andererseits ist es gar nicht notwendig, dass wir eine Auswahl zwischen den unterschiedlichen Erklärungsansätzen für die Unersättlichkeit des Menschen treffen oder sie auch nur ihrer Bedeutung nach gewichten. Es reicht völlig, wenn wir erkennen, dass Unersättlichkeit uns, über einen bestimmten Punkt hinaus betrieben, vom guten Leben wegführt.
Gibt es irgendeinen Ausweg aus dieser Folgerichtigkeit? Die Neigung zur Unersättlichkeit ist, wie wir in Kapitel 3 sehen werden, Philosophen und Moralisten seit Langem bekannt und wird von ihnen schon seit ebenso Langem verurteilt. Sie wurzelt in der menschlichen Natur und der sozialen Verfassung des Menschen, und nicht (wie die Marxisten behaupten würden) in der Dynamik eines bestimmten ökonomischen Systems, soll heißen des Kapitalismus. Wobei die Marxisten insofern recht haben: der Kapitalismus
befeuert
unsere angeborene Neigung zur Unersättlichkeit
,
indem er sie von den Beschränkungen der Sitten und derReligion befreit, durch die sie früher begrenzt wurden. Dieses »Anfeuern« nimmt vier separate, jedoch miteinander verbundene Formen an.
Erstens, die Wettbewerbslogik des Kapitalismus treibt Unternehmen dazu an, unter anderem durch die Manipulation der Begierden neue Märkte zu schaffen. Auch wenn die Werbung Unersättlichkeit nicht erzeugt, sie beutet sie doch skrupellos aus, flüstert uns ins Ohr, dass unser Leben dröge und zweitklassig sei, wenn wir nicht »mehr« konsumieren. Werbung ist, wie es eine ehemalige Leiterin des Forschungslabors von General Motors einmal so prägnant formulierte, »die organisierte Erschaffung von Unzufriedenheit«.[ 34 ]
Zweitens bedingt der Kapitalismus eine immense Ausweitung des Statuswettbewerbs. In
Über die Demokratie in Amerika,
seinem
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