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Wie viel kann eine Frau ertragen

Wie viel kann eine Frau ertragen

Titel: Wie viel kann eine Frau ertragen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Schwarz
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einfach Kind sein, es war nicht möglich. Dafür hat unser Vater immer gesorgt und unsere Stiefmutter hatte ihre Ruhe. Sie schaffte die Arbeit im Haushalt nicht, weil sie ein kleines Kind hatte. Nach der Arbeit auf dem Feld wartete noch Arbeit auf mich zu Hause.
     
    Meinen zwölften Geburtstag und das Erlebnis eine Woche nach meinem Zwölften werde ich auch nicht vergessen. Zu meinem Geburtstag kamen vier Mädchen. Es gab nichts zum Essen, nur ein paar Süßigkeiten. Wir waren auch nicht bei uns im Haus. Es lagen ja Teppiche auf dem Fußboden!! Wir könnten die ja dreckig machen. Die Mädchen waren auch nicht lange da. Immerhin etwas, besser als nichts!
    Eine Woche später spielten wir auf der Straße. Wir waren mit vielen Kindern unterwegs, auch Jungs waren dabei. Wie aus heiterem Himmel lief Blut meine Beine entlang und ich wusste nicht, was es war. Die Jungs lachten mich aus, aber ich war in dem Moment entsetzt über das Geschehene. Ich bin dann ganz schnell nach Hause zu der Stiefmutter gelaufen. Der Kommentar von ihr war, dass die Mädchen diese Blutungen einmal im Monat bekommen würden. Dann hat sie mir Waschlappen gegeben, damit ich sie mir einlegen konnte.
    Das war meine Aufklärung.
     
    Der jüngste Bruder von meinem Vater, mein Onkel Willi, war mit seiner Familie und meiner Schwester Elvira im Januar 1972 nach Estland gefahren. Meine Eltern versuchten, das Haus zu verkaufen und auch nach Estland zu ziehen. Ich glaube, es war im Spätherbst 1972, als unser Haus dann doch endlich verkauft wurde und wir im März 1973 nach Estland umgezogen sind.
    Vorher kamen Container, die wir mit unseren Möbeln und allen anderen Sachen eingepackt haben. Diese Container wurden mit dem Zug nach Estland transportiert. Wir waren vier Tage mit dem Zug unterwegs, bis wir in Semeru (es war ein Dorf) ankamen, wo mein Onkel Willi mit seiner Familie und unserer Schwester lebte.
    Als wir nach Estland kamen, war mein Bruder Rudi sechzehn Jahre alt, Jakob nicht ganz fünfzehn Jahre jung, Waldemar zehn Jahre jung, Sonja ein Jahr und fünf Monate und ich fast dreizehn Jahre jung.
     
     
     

Unser Leben in Estland
     
     
    Ein paar Tage konnten wir bei meinem Onkel bleiben, bis wir dann eine kleine Zweizimmerwohnung mit dazugehörigem Schuppen bekommen haben. In diese Wohnung sind wir dann mit fünf Kindern und zwei Erwachsenen eingezogen. Und schon wieder war ich mit meinen Brüdern in einem Zimmer, obwohl ich voll in der Pubertät war. Die Eltern und die Kleine hatten ihr Zimmer. Es war sehr eng in dieser Wohnung, aber wir mussten ja auch sparen. Eine schlimme Zeit wartete auf mich.
    Zur Schule sind wir mit dem Bus nach Rakvere gefahren. Die Entfernung betrug sechs Kilometer. Ich kam in die sechste Klasse und gleich am ersten Tag bekam ich meinen Kosenamen. Mein Familienname war wohl so komisch, dass ein Junge, der zwei Jahre älter war als ich und in dieser Klasse ein Mitschüler von mir wurde, mir den Kosenamen Tötscha (auf Deutsch: Schwiegermutter) gegeben hat. Mit diesem Kosenamen wurde ich in der ganzen Schule „berühmt“ und den trug ich bis zur Ausreise am 14. Juli 1976 nach Deutschland. Ansonsten konnte ich mich ganz schnell in dieser Klasse eingewöhnen.
    Vor den Sommerferien, die vom 01. Juni bis 01. September waren, hatten alle Klassen noch Schwimmmeisterschaften. Auch unsere Klasse war dran, und ich wurde das beste Mädchen in der Klasse. Es war ein sehr schönes Erlebnis. An dieser Schule warteten noch andere positive Ereignisse auf mich. Aber zu Hause warteten noch mehr negative Erfahrungen auf mich.
     
    Einmal, weiß ich, kamen Mädchen zu mir, ins Haus reingehen durften sie nicht, dafür konnte ich dann mit ihnen draußen spielen. So wie die Pubertierenden nun mal sind, haben wir alles Mögliche angestellt. Die Blumen im Beet beschädigt, aber nicht mit Absicht, und das bei unserer Nachbarin. Ich bekam dann Ärger von meinem Vater.
    Das andere Mal waren wir wieder unterwegs und sind dann irgendwann in unserem Schuppen gelandet. Da waren trockene Pflaumen gelagert. Da wir ja zu dritt waren, hat jede von uns Pflaumen genascht. Beim Naschen hatte ich ein ganz komisches Gefühl, dachte nur, hoffentlich gibt’s keinen Ärger. Dann haben wir aus Versehen noch ein Fieberthermometer kaputt gemacht. Nachdem wir den Schuppen verlassen hatten, ist mein Vater dahin, um zu überprüfen, was wir da gemacht haben. Natürlich hat er auch gesehen, dass wir trockene Pflaumen gegessen haben und das Fieberthermometer kaputt

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