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Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Titel: Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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ist jetzt aber eine doofe Frage. Das kann doch jederzeit passieren.«
    Ich kann die Frau empört durch die Leitung atmen hören.
    »Ich finde die Frage gar nicht so doof«, entgegne ich in verbindlichem Tonfall. »Wenn ein Mensch überfahren wird, entführt man doch auch nicht alle, die um ihn herumstanden, um sie vor dem künftigen Unfalltod zu bewahren.«
    Stille. Hörbares Ein- und Ausatmen.
    »Das kann man ja wohl nicht vergleichen. Die Hunde auf der Straße brauchen die Hilfe des Menschen. Sie sind ja nicht unabhängig von uns. Deshalb helfen wir.«
    »Damit Sie mich nicht missverstehen: Ich habe selbst vier Hunde aus dem deutschen Tierschutz, die aus anderen Ländern kommen, weil sie dort nicht überlebt hätten. Meine Hunde waren schwer krank, traumatisiert oder wie im Falle meines letzten Hundes nicht vermittelbar. Die Mitglieder dieser Tierschutzorganisationen sind für mich die wunderbarsten Paten meiner Hunde, und ich habe bis heute mit ihnen den herzlichsten Kontakt. Ich möchte nur anregen, dass Tierschützer mehr darüber nachdenken, welcher Hund Hilfe braucht und für welchen Hund dies einfach eine Freiheitsberaubung darstellt, für die er auch noch dankbar sein soll. Die häufig verbreitete Idee, dass ein Straßenhund es automatisch in der Wohnung eines Menschen besser hätte, zeigt doch, wie weit weg wir uns von der Natur entfernt haben. Nur weil Straßenhunde sich in unserer Nähe aufhalten und eine Zweckgemeinschaft mit uns eingehen, geht es ihnen doch nicht automatisch schlecht ohne unsere Nähe und unsere überheizten Wohnstuben. Ich bin mit mehreren engagierten Tierschützern und Tierheimen eng befreundet und kenne und schätze deren anspruchsvolle und wertvolle Arbeit. Es gibt für Straßenhunde wie Henry erfolgreiche Kastrationsprogramme, die dem Hund ermöglichen, in seiner gewohnten Lebensform zu bleiben, ohne immer neue Straßenhunde hervorzubringen. In seinem Falle finde ich aber nicht nur die Entscheidung zu seiner Entführung bedenklich, sondern auch, wohin Sie ihn vermittelt haben.«
    »Na, Sie haben ja komische Ansichten! Sie haben doch keine Ahnung«, wirft die Frau ein. »Wissen Sie, was wir hier alles zu tun haben, da können wir nicht jedem Einzelfall bis ins Kleinste nachgehen, da würden wir gar nichts schaffen. Und das Ehepaar S. aus dem Grunewald kann Henry das Paradies bieten. Haus! Garten! Wald!«
    »Das Paradies hat sich aber sehr schnell auf den Garten reduziert, weil der Hund nicht mehr ins Haus kommt und in den Wald nicht darf«, merke ich an. »Und Henry ist kein Hund für einen Garten. Er braucht eine neue Aufgabe und viel Freiraum um sich herum. Es wäre sehr hilfreich für ihn, wenn wir ein neues Zuhause für ihn finden könnten. Die Familie S. ist dazu bereit. Wollen wir nicht für ihn an einem Strang ziehen?«, frage ich bittend.
    Stille.
    »Ich wüsste aber nicht, wohin«, kommt es schließlich zögerlich zurück.
    »Ich habe eine Idee, aber ich wollte mich vorher erst Ihrer Kooperationsbereitschaft versichern, für die ich sehr dankbar bin. Ich war vor zwei Wochen bei einer Hündin auf einem Reiterhof. Seit ihr Gefährte vor drei Monaten verstorben ist, hat sie begonnen, die Pferde zu verbellen und andere Unsicherheiten zu entwickeln. Der Rüde hat sie ganz offenbar geführt, und nun müsste die Frau, der die Hündin gehört, die Führung übernehmen. Sie kann das auch, aber ich finde, Henry würde dort großartig hinpassen. Ich würde gleich anrufen und nachfragen, wenn ich darf.«
    »Na gut, probieren Sie’s«, sagt die Tierschützerin einlenkend.
    Zwei Monate später besuche ich Henry in seinem neuen Zuhause. Weil sich trotz Verabredung niemand auf mein Klingelzeichen hin meldet, betrete ich den offenen Hof. Zwei Hunde kommen bellend auf mich zu. Eine leichtfüßige Dalmatiner-Hündin und ein schwerfälliger Henry, der beim Laufen wie ein Matrose von der einen auf die andere Seite schwankt. Er legt sich mächtig ins Zeug, um dem Eindringling klarzumachen, wer hier aufpasst. Kurz vor mir stoppt er, hebt die Nase und verstummt. »Hej, das ist ja die mit der Wurst«, könnte sein Blick sagen, denn er schaut mich nun erwartungsvoll an. Auch die Hündin hört auf zu bellen und beobachtet mich aufmerksam. »Junge, da hast du es aber gut getroffen«, sage ich mit Blick auf das riesige Anwesen und die Hündin.
    Henry hebt noch einmal die Nase, wie um sicherzugehen, dass ich heute keine Wurst dabeihabe, und dreht dann gemächlich ab. Er geht auf die andere Seite des

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