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Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Titel: Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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unverschlossenen Hofes, um sich mit seiner neuen Gefährtin in die Sonne zu legen.

Die Zwangsjacke
    »Guten Tag. Hier ist das Büro von Herrn B. Ich bin seine Sekretärin und möchte einen Termin mit Ihnen vereinbaren. Geht es am Freitag, 14.30 Uhr?« Eine Frauenstimme, die von großer Eile in die Höhe getrieben scheint, ist am Telefon.
    »Um was geht es denn? Und woher haben Sie meine Nummer?«, frage ich erstaunt und unterlasse es, sie an mein eigenes Büro zu verweisen.
    »Von einem Geschäftspartner, der mit seinem Hund bei Ihnen war. Es geht darum, dass Tobi jetzt beißt und das nicht tragbar ist.«
    »Ist Tobi der Hund von Herrn B.?«, frage ich.
    »Ja, natürlich.« Die Stimme wird etwas spitzer ob meiner Begriffsstutzigkeit, die das Gespräch offenbar unnötig in die Länge zieht.
    »In welchen Situationen beißt er denn?«, frage ich dennoch nach.
    »Das wird Ihnen Herr B. selbst erzählen. Am Freitag, 14.30 Uhr? Ich nenne Ihnen jetzt einmal die Adresse, an der Sie erwartet werden.«
    »Auch wenn es Ihren Zeitplan durcheinanderbringt, aber ich habe erst in ein paar Wochen einen Termin frei«, entgegne ich.
    »Wie, in ein paar Wochen? Herr B. braucht jetzt Hilfe. Er zahlt auch einen Eilzuschlag, wenn das nötig ist, das ist überhaupt kein Problem!«, sagt die Frauenstimme nun ungehalten.
    »Es geht nicht um die Bezahlung, sondern um meine Zeit«, versuche ich es erneut.
    »Aber das ist ein Notfall!!!« Die Frauenstimme wird lauter, damit ich die Dringlichkeit ihres Anliegens endlich begreife.
    »Das verstehe ich, denn ich habe es nur mit Notfällen zu tun«, sage ich, ohne ironisch klingen zu wollen. »Vielleicht wenden Sie sich an eine andere Hundeschule, die sofort helfen kann?«, schlage ich vor.
    »Also hören Sie, wir nehmen doch nicht jeden Wald- und Wiesentrainer. Das ist aber sehr kompliziert mit Ihnen«, empört sich die Frau.
    Ich erspare mir den Verweis darauf, dass es in Berlin noch mehr gute Trainer gibt, weil ich das Gefühl habe, dass es gar nicht darum geht. Stattdessen sage ich: »Da wir uns nicht einigen können, schlage ich vor, das Gespräch zu beenden.«
    »Bitte?!« Sie schweigt einen kurzen Moment. »Tja, dann haben Sie das Prinzip des Geldverdienens wohl noch nicht verstanden«, erwidert sie dann – das Fazit ihrer Meinung über mich. »Herr B. hätte Sie viel besser bezahlt als die anderen Leute, die Sie offenbar vorziehen.«
    »Auf Wiederhören«, sage ich und lege auf.
    Drei Tage später klingelt das Telefon.
    »Tag, Frau Nowak«, sagt ein tiefer Bass. »Da gab es wohl Missverständnisse mit meiner Sekretärin. Sie ist manchmal etwas übereifrig, weil sie es gut meint mit mir. Wann hätten Sie denn Zeit?«
    Überrascht suche ich in meinem Kalender nach einem Termin.
    Ein paar Wochen später fahre ich an einen Ort, den ich von einigen Spaziergängen mit meinem Hund Viktor kenne. Zu Fuß wanderten wir damals von der S-Bahn in den Wald, vorbei an der Uferseite eines Sees, der auf der anderen Seite für Spaziergänger gesperrt ist. Riesige Villen beherbergen dort ein privat gehaltenes Leben auf 10.000 Quadratmeter großen Grundstücken. Der See hat durch diese Gegebenheit nicht den romantischen Charakter anderer Seen, sondern erweckt den Eindruck eines Sperrgebietes. Heute halte ich vor einer dieser Villen.
    Auf mein Läuten hin öffnet eine ältere Frau. Ihre dünnen grauen Haare sind zu einem kleinen Dutt nach oben gerafft. Ein weißer Spitzenreifen umrandet die winzige Haarkugel wie eine schützende, nicht einnehmbare Festung. Er und eine weiße Latzschürze über einem bodenlangen schwarzen Kleid verraten, dass sie hier angestellt ist.
    »Guten Tag, ich bin Maja Nowak«, stelle ich mich vor.
    »Bitte.« Sie weist mit ruhiger Geste und ohne eine Miene zu verziehen in das Haus. »Darf ich Ihnen etwas abnehmen?«, fragt sie, ohne die Stimme zu heben.
    »Danke, es geht schon.« Ich will mich selbst ausziehen, denn es ist mir unangenehm, von einer älteren Dame bedient zu werden. Mein Einspruch wird mit dem energischen Abzug der Jacke von meinen Schultern beantwortet. Mir entgehen ihre leicht gespitzten Lippen nicht, als sie das viel genutzte Trainingskleidungsstück neben die anderen Sachen an die Garderobe hängt. Sehr gerade und gespenstisch dünn sieht sie aus, als sie mir, vorangehend, den Weg weist.
    Ich folge ihr durch die Eingangshalle über einen persischen Hochflorteppich, der mir das Gefühl vermittelt, ich laufe über Moos. Auf den weißen Wandkonsolen links und rechts

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