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Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)

Titel: Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maike Maja Nowak
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ist, sondern ein Lebewesen, das Respekt verdient«, sage ich, um Ruhe bemüht. »Und ein Pudel braucht keine Kleidung.«
    »Papperlapapp! Das ist doch egal. Er beißt ja auch einfach, wenn man ihn nur streichelt.«
    Ungläubig halte ich meine Hand neben Tobis Nase. Er schnüffelt vorsichtig daran. Langsam streiche ich mit der Handaußenseite über sein linkes Schulterblatt. Er leckt mir die Hand. Ich gehe in seinen Nacken und massiere ihn mit etwas mehr Kraft. Er schließt die Augen und leckt sich über das Maul. Ratlos blicke ich zu den beiden Menschen, mit denen Tobi lebt.
    »Na ja, Sie kennt er ja nicht. Zu Fremden ist er immer wie ein Lamm«, sagt der Mann verärgert. »Aber ziehen Sie ihm doch mal was an. Charlotte, holen Sie doch mal ein Leibchen«, weist er die Haushälterin an. Diese verschwindet und kommt kurz darauf mit einem blauen Babyleibchen zurück.
    »Das können Sie ihr geben«, zeigt er auf mich.
    »Nicht nötig. Ich werde Ihrem Hund nichts anziehen«, sage ich, ohne meine Betroffenheit zu verbergen.
    »Na, dann mach ich es«, ruft der Mann ungehalten. Er springt auf, reißt der alten Frau das Leibchen aus der Hand und will auf den Hund zugehen. Ich bin von dieser Aggression so überrascht, dass ich hochfahre und mir ein »Also, warten Sie mal!« herausrutscht. Der Mann bleibt vor mir stehen, das Leibchen bleibt in der Luft hängen. Sein Gesichtsausdruck schwankt zwischen Fassungslosigkeit und Empörung.
    »Also, das ist mir ja auch noch nicht passiert, dass mir ein Angestellter sagt, was ich tun oder lassen soll«, bricht es cholerisch aus ihm heraus.
    Ich blicke ihm gerade in die Augen und sage: »Ich bin nicht bei Ihnen angestellt.«
    »Also bitte, ich habe Sie doch schließlich engagiert für diesen Auftrag und bezahle dafür, dass Sie machen, was nötig ist.«
    »Ich denke, wir haben sehr unterschiedliche Ansichten darüber, was nötig ist«, entgegne ich. »Ich finde es zum Beispiel dringend nötig, dass Sie anderen Wesen mehr Respekt entgegenbringen und in Betracht ziehen, dass ein Hund kein Baby ist, das Leibchen braucht. Er ist ein Hund und hat das Recht, sich gegen so etwas zu wehren.«
    Der Mann setzt sich betont langsam wieder hin.
    »Interessant. Sie wollen mir also allen Ernstes klar machen, dass ein Hund Rechte hat?«
    Ich hätte nicht gedacht, dass meine Betroffenheit noch größer werden kann. Aber sie ist in der Tat gerade gewachsen. Gäbe es nicht den Hund, den ich zurücklassen müsste, wäre ich bereits gegangen.
    »Natürlich. Stellen Sie sich vor, man würde Sie den ganzen Tag wie eine Frau behandeln, obwohl Sie ein Mann sind. Würden Sie sich respektiert fühlen? Genauso wenig lässt sich ein Hund gerne wie ein Baby behandeln.«
    Die kleine Frau blickt aus den Augenwinkeln zu ihrem Mann. Dieser grinst ironisch und sagt: »Das wird mir ganz sicher nicht passieren.«
    »Warum nicht?«, frage ich.
    Er blickt mich ehrlich erstaunt an. »Na, weil ich nun mal ein Kerl bin.«
    »Sehen Sie. Und das«, ich zeige auf den Pudel, »ist nun mal ein Hund.«
    Er sieht mich mit zusammengekniffenen Augen an, wie ein Insekt, das er unter dem Mikroskop betrachtet und das ein unerwartetes Verhalten zeigt.
    »Nun kommen Sie mir mal nicht so geistreich daher«, wehrt er ab. »Sie können den Hund auch gern eine Woche mitnehmen und ihn bei sich therapieren. Da zahl’ ich zehntausend Euro für, ohne mit der Wimper zu zucken. Meinetwegen, pfeif’ auf das Leibchen. Aber er soll sich anfassen lassen. Wozu hat man denn einen Hund? Damit man ihn nicht anfassen kann? Oder was?«
    Seine Frau blickt mich vorsichtig von unten her an und haucht:
    »Ich kann das mit dem Anziehen schon weglassen. Er soll nur wieder lieb sein.«
    »Also, wie viel wollen Sie?«, fragt der Mann.
    Ich hebe die Schultern, um anzudeuten, dass ich nicht verstehe, was er meint.
    »Na, Pinke, Pinke!«, er reibt sich mit dem Daumen über den Zeigefinger. »Wie viel wollen Sie für eine Woche haben?«
    Ich fühle, wie ich vor Ärger ganz blass werde.
    »Ich nehme für so etwas keine Hunde mit«, sage ich fassungslos.
    »Is’ klar«, sagt der Mann nickend. »Elftausend Euro, wenn Sie ihn mitnehmen.« Ich stehe auf und spüre, wie mir die Knie zittern vor Empörung. Ich blicke auf den kleinen Hund und kann nicht fassen, ihn zurücklassen zu müssen. Einen Moment lang denke ich über einen Hunderaub nach, und weiß noch im selben Moment, dass in einem solchen Fall schon morgen ein neuer Hund hier Einzug halten würde – wie alles, was

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