Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
beschäftigt ist, von hinten nähert. Kurz bevor sie ihn erreicht hat, hebt Benny plötzlich die Nase zuckend in die Luft. Er beginnt, Kaubewegungen zu machen und mit den Zähnen zu klappern. Im Gegensatz zum Menschen besitzen Hunde im oberen Maulbereich ein Organ, mit dem sie Gerüche auch schmecken können. Es wird vorwiegend für Düfte benutzt, die mit dem Sozial- und Sexualleben zu tun haben und transportiert die von ihm aufgenommenen Informationen direkt zu dem Teil des Gehirns, der für die emotionalen Reaktionen zuständig ist. Während ein Hund so einen Geruch zugleich riecht und schmeckt, klappert er häufig, wie Benny gerade, ganz leicht mit den Zähnen, und Speichel rinnt ihm aus dem Maul. Die junge Dackeldame besitzt offenbar einen Geruch, der in Benny etwas Wunderbares auslöst. Er dreht sich ruckartig um. Starrt auf die zierliche, langhaarige, rotbraune Erscheinung. Rattert aufgeregt mit seinem aufgerichteten Westie-Schwanz. Springt, sich in die Brust werfend, vor ihr hin und her wie bei einer Parade. Will sich ihr mit einem Satz ungestüm nähern.
Die Dackeldame bellt ihn kurz an, verbittet sich den Überfall und setzt sich elegant auf ihren winzigen Hintern. »Aber sie lässt ihn jetzt auch nicht schnüffeln«, sagt ein bebrillter Mann, der das Geschehen aufmerksam verfolgt. Ich nicke. »Das stimmt, aber er hat auch zuvor nicht höflich angefragt, sondern ist in seiner Aufregung zu stürmisch herangegangen. Die Dackeldame ist ihm in puncto Souveränität Lichtjahre voraus und hat nur seine Form der Annäherung moniert. Jetzt versucht sie gerade sehr klug, ihn etwas auszubremsen, damit er es richtig macht.«
Die Dackeldame sitzt mit von Benny abgewandtem Blick auf der Wiese und gähnt.
»Ohoo!«, ruft der Mann. »Habt ihr gehört, mein Mädchen ist eine ganz Raffinierte.« Tatsächlich kann die Hündin mit ihrer Ruhe und Entschiedenheit Bennys Tempo sofort stoppen. Er setzt sich, kratzt sich im Übersprung, springt wieder auf, tippelt um sie herum, kratzt sich wieder und bleibt dann abwartend still stehen. Da erhebt sich die Dackeldame, geht langsam auf den Westie zu und schnüffelt an ihm. Benny zeigt keinerlei Anzeichen von Protest, sondern steht stramm wie ein Vorzeigeschüler neben der Lehrerin. Danach wendet er sich vorsichtig zum Hinterteil der Dackeldame, die ihn nun ebenfalls anstandslos schnüffeln lässt. Was er dort erfährt, versetzt ihn so in Aufregung, dass er erneut um sie herumspringt, bis sie ihm mit einem kurzen Wuffer wieder zur Ordnung ruft. Sofort beruhigt sich Benny und geht brav neben seiner neuen Flamme über die Wiese. Da hat ein Schüler seine Meisterin gefunden, denke ich und muss lachen.
»Ist sie heiß?«, fragt eine Frau den bebrillten Mann.
»Nein, ich musste sie ja leider kastrieren lassen«, gibt dieser zurück. Mit einem Blick, den auch ein stolzer Vater auf seine Tochter werfen könnte, sieht er der kleinen Hündin hinterher, die Benny nun ruhig und souverän in die Hundewelt einführt. Als sich ein struppiger roter Mischling den beiden in direkter Linie nähert, wählt die Dackeldame einen eleganten Bogen um ihn herum. Als zwei Hunde mit einem Stock im Maul sie unsanft touchieren, macht sie eine knappe bellende Ansage und wendet sich, weil die Hunde sich anstandslos entfernen, ruhig wieder der Wiese zu. Kurze Zeit später begegnen sie dem Cocker, der, offenbar verunsichert durch den Terrier, stehen bleibt. Er hebt beschwichtigend eine Vorderpfote und blickt den Hunden abwartend entgegen. Die Dackeldame erfasst seine Unsicherheit, bleibt demonstrativ in drei Meter Entfernung stehen, blickt weg und wedelt mit dem Schwanz, um den Cocker zu beruhigen.
Benny imitiert dabei in rührender Art genau das, was sie tut. Es ist großartig zu erleben, dass der Terrier, der noch vor einer halben Stunde an einen kleinen Mann mit hohen Absätzen, Goldkettchen und verspiegelter Sonnenbrille erinnerte, nun zum artigen »Handtaschenträger« der Dackeldame mutiert ist und sich offenbar dabei sehr wohl fühlt.
Die Frau, zu der er bisher gehörte, lacht auf, hebt kurz die Schultern und sagt: »Ich bin baff, ehrlich. Er interessiert sich gar nicht mehr für meine Großen. Und überhaupt, so normal habe ich ihn noch nie erlebt.« Dann blickt sie zu dem Besitzer der Dackeldame und sagt: »Kurt, kann es sein, dass Benny jetzt gerade sein Zuhause gefunden hat?«
Das Ende des Kampfes
Den Hund schützt schwarzes Fell von bärenpelzhafter Dichte. Über seiner Nasenwurzel verläuft ein
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