Wie viel Mensch braucht ein Hund: Tierisch menschliche Geschichten (German Edition)
weißer Strich bis hin zur Stirn. Sein muskulöser, großer Körper könnte majestätisch wirken, wäre da nicht der steife Gang, mit dem der Hund im Zwinger auf und ab läuft. Die Körperspannung und sein starrer Blick zeigen an, dass er jeden Moment explodieren kann.
»Seit wann und warum lebt er im Zwinger?«, frage ich den Mann, der mit verschränkten Armen im Hintergrund steht.
Er wendet mir betont langsam sein Gesicht zu und schenkt mir einen Blick, der abschätziger kaum sein könnte. »Weil hier alle Hunde wie Hunde leben und nicht wie Püppchen in der Handtasche. Deshalb isser im Zwinger.« Dabei weist er auf drei Schäferhunde, die in weiteren Zwingern untergebracht sind. »Aber der is kein Hund, der is der Deuwel. So was hab ich noch nich erlebt«, fügt er mit einer wegwerfenden Handbewegung hinzu. »Wenn er ihn nicht mitnimmt«, er weist auf den jungen Mann neben mir, »dann wartet der Förster schon auf ihn.« Er simuliert mit dem Zeigefinger die Bedienung des Abzuges an einer Schusswaffe. Der junge Mann, der mich hierhergerufen hat, verzieht bei dieser Aussage unwillkürlich das Gesicht.
»Ich habe nicht das Gefühl, dass Sie über Hundehaltung diskutieren möchten, aber einen Akita in einem Zwinger zu halten ist ein Unding«, wende ich mich wieder an den Hofbesitzer.
Der Mann, der die Daumen über den Gürtel hängen lässt wie ein Cowboy, sagt: »So einen Quatsch können Sie in Ihren hochtrabenden Büchern schreiben, aber nicht mir verkaufen. Das Vieh hier war von Anfang an so, und wie Sie ja sicher wissen, ist in der amerikanischen Variante der Kreuzung ein Schäferhund mit im Spiel. Und meine Schäfis parieren aufs Wort, und zwar alle und schon immer. Ich mache das immerhin seit zwanzig Jahren.« Fest aufstampfend geht er zu einem der Zwinger und öffnet ihn. Ein Schäferhund huscht in geduckter Haltung heraus und läuft mit unsicheren Schwanzwedlern beschwichtigend um den Mann herum. Der Mann nimmt eine breitbeinige Haltung ein und blafft: »Sitz!«
Der Schäferhund fällt übereifrig und vor Aufregung zitternd in eine liegende Position. Bevor er seinen Irrtum korrigieren kann, holt der Mann mit dem Fuß aus und fegt dem Hund damit hart unter das Hinterteil. »Siiitz!!!« Ein cholerisches Rot färbt jetzt sein Gesicht. Der Schäferhund schnellt mit geducktem Kopf in die sitzende Position, und seine Pupillen weiten sich angstvoll, offenbar in Erwartung weiterer Korrekturen.
»So läuft das«, sagt der Mann und greift mit den Daumen wieder in seinen Gürtel. »Ich habe von Ihrem Hokuspokus gehört. Da kommen Sie mal in einen Schäferhunde-Verein. Schäferhunde brauchen eine harte Hand und keinen Kokolores.«
Tatsächlich wird ein solcher Umgang mit Hunden, wie ihn der Mann beschreibt und »pflegt«, noch häufig für selbstverständlich gehalten, und viele Menschen sind von seiner Richtigkeit absolut überzeugt. Tierquälerei ist zwar seit einiger Zeit endlich auch nach dem Gesetz verboten, fällt jedoch durch den Rost menschlicher Bewertung, wenn sie zu einer Methode der Hundeerziehung deklariert wird. Unter deren Deckmantel verbergen sich Handlungen wie Anschreien, Schlagen, Treten, der Einsatz von Elektroschockgeräten, Isolationshaft, Würgen und andere Willkür. Was mich daran nicht nur schockiert, sondern auch ehrlich verwundert, ist, dass dieselben Methoden, bei Menschen angewandt, anderen Begriffen zugeordnet werden. Diese heißen Misshandlung und Folter.
Wie wir Menschen jemals auf die Idee kommen konnten, dass sie für die Hundeerziehung angebracht sind, sagt leider viel über uns und unsere Haltung Tieren gegenüber aus.
»Bei Fuß!« Der Mann führt mit dem Schäferhund, offenbar in Erwartung meiner Bewunderung, ungebeten weitere Kommandos vor. »Platz.« »Bleib.«
»Ich würde jetzt gern den Akita kennenlernen«, sage ich bemüht sachlich, um das Ganze so rasch wie möglich zu beenden.
»Alles klar«, sagt der Mann und winkt ab. »War zu erwarten, dass Ihnen nich gefällt, wenn der Hund auf Kommandos hört.« Er bringt den Schäferhund in den Zwinger zurück und schnaubt verächtlich durch die Nase. »Also, kommen wir zum Punkt«, wendet er sich an den jungen Mann. »Ihr könnt den Deuwel gern rausholen.« Er verschränkt die Arme vor der Brust und blickt grinsend von uns zu dem Akita. »Schafft ihr eh nich. Ich hab ihn mir mehrfach am Stachelhalsband über die Schulter gehängt und bin mit ihm so über den ganzen Hof gelaufen. Der wäre lieber gestorben, als aufzugeben. Er
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