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Wie wir gut zusammen leben

Wie wir gut zusammen leben

Titel: Wie wir gut zusammen leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Manemann
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Bürgern die Verantwortung abzunehmen. Ein solcher Staat würde den Souverän, das Volk, entmündigen. Der Staat ist nicht »Vater Staat«. Regierungspolitik zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich für die Anliegen und Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger öffnet. Politik muss weniger output-, sondernmehr inputorientiert sein.
    Die politische Frage lautet, wie wir gut zusammen leben können. Dazu bedarf es bestimmter Werte und Tugenden. Demokratische Werte und Tugenden fallen jedoch nicht vom Himmel. Sie müssen gelebt und gefühlt werden. Die Orte, an denen Politik als Ordnungspolitik gestört wird, sind die Orte, an denen Menschen von demokratischen Werten ergriffen werden. Diese Orte sind es, an denen die Bürgerinnen und Bürger demokratische Tugenden immer wieder neu einüben: Toleranz, Gerechtigkeit, Freiheit, Solidarität. Erst durch eine wiederholende Praxis können die Werte auch die innere Haltung der Bürgerinnen und Bürger prägen. Diese Haltung ist zentral für die Demokratie. Was aber ist Demokratie?
    Von Winston Churchill stammt bekanntlich die Definition: »Demokratie ist die schlechteste Form des Regierens, abgesehen von allen anderen, die man bislang ausprobiert hat.« Diese Definition wurde und wird immer wieder bemüht, prominent von Altbundeskanzler Helmut Schmidt. Aber dadurch wird sie auch nicht richtiger. Demokratie ist in gewisser Weise ein Skandal, wie der Philosoph Jacques Rancière deutlich gemacht hat, da in der Demokratie nicht nur jede Stimme zählt, sondern jede Stimme auch gleich viel zählt. Demokratie ist die beste Regierungsform. Sie ist darüber hinaus mehr als eine Regierungsform. Sie ist eine Lebensform. Demokratie gründet in einer demokratischen Kultur, die sich auf dem Weg von der Intoleranz zur Toleranz, von der Toleranz zum Respekt vor dem Widerspruch und vom Respekt vor dem Widerspruch hin zum Glauben an die Werthaftigkeit der Verschiedenheit herausgebildet hat.Der Politikwissenschaftler Giovanni Sartori weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine demokratische Kultur zwar Toleranz voraussetzt, sich aber sogleich von dieser unterscheidet. Während Toleranz Werte respektiert, ist es der Pluralismus, der Werte postuliert. Er kann deshalb Pluralismus als ein Glaubenssystem bezeichnen, das an die Werte der Verschiedenheit und des Widerspruchs glaubt.
    Als Lebensform verlangt Demokratie den Menschen viel ab, vielleicht zu viel. Demokratie beinhaltet eine Demokratiepassion im doppelten Sinn: eine Leidenschaft für die Demokratie, aber auch ein Leiden an der Demokratie. Demokratie ist durch ein permanentes Überschreiten eigener Horizonte charakterisiert. Sie lebt vom Widerspruch: »Wo ein Widerspruch laut wird, dort, meint man, sei etwas falsch, statt zu begreifen, dass dort, wo kein Widerspruch vorliegt, etwas falsch sein muss« (Hermann Levin Goldschmidt) . Der Streit steht in der Demokratie für ein erweitertes Denken. Er bricht angestaubte, blinde und auch ungerechte Konsense auf, indem er auf neue zielt. An dieser Stelle wird die tiefe Verbindung von Politik und Sprache einsichtig. Politik ist auf Sprache angewiesen. Damit ist mehr gemeint als die Kunst, zu überreden oder zu überzeugen. Prallen unterschiedliche Auffassungen aufeinander, dann bedürfen sie, um in ihrer Unterschiedenheit verstanden werden zu können, zunächst der Übersetzung in das jeweils eigene Denken. In diesen Prozessen entsteht so etwas wie ein kommunikativer Zwischenraum, der die Basis von Politik ist. Ohne diesen Zwischenraum gib es keine gemeinsame Welt.
    Bürgerpolitik widersteht jeglichem Versuch, Einheit zu zementieren. In diesem Sinne ist sie durch und durch demokratisch. Demokratische Politik ist in gewisser Weise ein Pleonasmus. Es gibt nämlich, wenn das bislang über Politik Ausgesagte triftig ist, keine Politik ohne Demokratie und keine Demokratie ohne Politik. Demokratie zielt nicht auf Volkwerdung, sondern auf das Mündigwerden der Menschen. Dazu gehört es, Unsicherheiten und Ungewissheiten standhalten zu können. Demokratie kann somit definiert werden als die »institutionalisierte Form des öffentlichen Umgangs mit Ungewissheit« (Helmut Dubiel).
    Gegenwärtig sind es die Piraten, die mit einer neuen Vision von Demokratie Politik machen: der liquid democracy (flüssige Demokratie). Es geht bei diesem Projekt nicht nur um die Verflüssigung demokratischer Strukturen. Liquid democracy verfolgt darüber hinaus
    »die Idee, das Parteiensystem durch eine Liquid Democracy

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