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Wie wir gut zusammen leben

Wie wir gut zusammen leben

Titel: Wie wir gut zusammen leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Manemann
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abzulösen. Somit könnte der eigentliche Anspruch der Demokratie verwirklicht werden: Demokratie bedeutet, zu jeder Zeit gezielt zu einzelnen Themen verbindlich Stellung beziehen zu können und nicht nur alle vier Jahre die Wahl zwischen Parteien mit unverbindlichen Parteiprogrammen zu haben. Im Informationszeitalter haben sich die Voraussetzungen so verändert, dass demokratischer Diskurs auch in großen G esellschaften potentiell möglich ist.«
(wiki.piratenpartei.de/Liquid_Democracy, 10.12.2012)
    Zum Modell der liquid democracy gehört auch das delegierte Wählen (delegate voting) . Das Modell enthält somit sowohl eine repräsentative als auch direkte Komponente. Erläutert wird es folgendermaßen:
    »Jeder Teilnehmer kann zu jedem Zeitpunkt für sich selbst entscheiden, wo auf dem Kontinuum zwischen repräsentativer und direkter Demokratie er sich aufhalten möchte. Jederzeit. Das bedeutet, dass ich als Teilnehmer beispielsweise sagen kann: ›Für Steuerrecht möchte ich gerne durch die Partei SPD, für Umweltpolitik durch die Partei die Grünen und für die Schulpolitik durch die Privatperson Herrn Müller vertreten werden. Für die Entscheidung über das neue Hochschul-Zulassungsgesetz an den Universitäten möchte ich aber selbst abstimmen.‹«
(wiki.piratenpartei.de/Liquid_Democracy, 10.12.2012)
    All das findet natürlich über das Internet statt und setzt entsprechende Software voraus. Technisch ließe sich hier in der Tat bereits vieles umsetzen. Aber was für ein Verständnis vom Politiker liegt diesem Modell zugrunde?Wird der Politiker hier nicht zum bloßen Instrument des Wählers? Dann wäre er allerdings nicht mehr als eine Marionette. Letztlich könnte man dann das Parlament auch durch den Tele-Dialog (TED) ersetzen. Die entscheidende Frage lautet aber: Enthält die Vorstellung von der liquid democracy den Kerngedanken der Demokratie? Die Piraten sehen das so, geht es doch ihres Erachtens in der Demokratie um möglichst viel direkte Mitbestimmung. Aber welche Klientel bedienen die Piraten? Sind es nicht in erster Linie die sogenannten Nerds (ehemals langweilige, heute als cool angesehene Computerspezialisten mit gewissen »Macken«). Eine solche Politik ist nicht mehr mit Orten verbunden. Aber Bürgerpolitik ist gerade durch Orte gekennzeichnet.
    Bislang wurde die repräsentative Demokratie als einzig handhabbare Form der Demokratie in einer medialen Massengesellschaft verstanden. Eine partizipative, direkte Demokratie, so die Befürchtung, führe letztlich zu einer Mediokratie. Die Bürger seien nicht frei, sondern vor allem durch die Medien fremdgesteuert. Bürgerpolitik sei im Grunde »Videopolitik« (Giovanni Sartori). Die Piraten weisen zu Recht darauf hin, dass dieses eindimensionale Verständnis von Demokratie als repräsentativer Demokratie der Ergänzung bedarf. Aber auch ihre Vorstellung von Demokratie bleibt letztlich eine halbierte, da sie die Dimensionen des aktiven Engagements vor Ort und des Politischen nicht berücksichtigt. Eine solche Politik ist ortsvergessen. Sie steht nicht wirklichfür die Rückkehr der Politik, die durch die Rückkehr der Orte, der Plätze, gekennzeichnet ist.
    Christian Felber, Begründer der Gemeinwohl-Ökonomie, schlägt hingegen ein Drei-Säulen-Modell vor: Die repräsentative Demokratie ist eine Parteiendemokratie, welche Konkurrenz, aber nicht Kooperation fördert. Politik als gemeinwohlorientiertes Handeln schließt Konkurrenz nicht aus, setzt jedoch in erster Linie auf Kooperation. Aus diesem Grund braucht eine Demokratie eine repräsentative, eine direkte und eine partizipatorische Dimension. Akteure auf der repräsentativen Ebene sind vorwiegend die Parteien, das Parlament und die Regierung, auf der direktiven Ebene handeln Bürgerinitiativen, gibt es Volksentscheide. Die dritte Ebene verlangt ausdrücklich eine aktive Präsenz der Bürger: gemeinsames Engagement, gemeinsame Plätze, Institutionen …
    Das gerade von den Piraten immer wieder vorgebrachte Modell einer liquid democracy , in der die Bürger auf den verschiedenen Ebenen mitentscheiden können, ist ein wichtiger Baustein der zweiten Ebene, ersetzt aber keineswegs die dritte Ebene. Die Piraten müssen erkennen, dass die dritte Ebene die fundamentale Ebene unseres Zusammenlebens ist. Hier finden die Begegnungen statt, in denen wir die Werte der Demokratie fühlen.
    Bürgerpolitik ist regelveränderndes Handeln in Permanenz, Mitarbeit an der Störung von Machtpolitik. Sie beginnt nicht

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