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Wie wir gut zusammen leben

Wie wir gut zusammen leben

Titel: Wie wir gut zusammen leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juergen Manemann
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(Paolo Flores d’Arcais). Aus diesem Grund hat Demokratie ihren Lebensnerv nicht im Konsens, sondern im Dissens. Die Demokratie ist in dem Sinne zukünftig, als in ihr das Versprechen grundgelegt ist, das wirkliche Volk als »das Ensemble der streitenden Individuen« (Paolo Flores d’Arcais) ernst zu nehmen. Darin besteht die demokratische Herausforderung.

V I.

Die Ethik der Bürgerpolitik ist die Veränderung.

P olitik ist Machtpolitik. Macht ist aber nicht etwas, das in sich Bestand hat. In der Physik gibt es schließlich auch keine Kraft ohne Widerstand. Ebenso gibt es in der Politik keine Macht ohne Gegenmacht. Macht ist aus diesem Grund immer instabil, flüssig, weil sie nicht ohne Widerstand existiert. Auch für Politik als Macht- und Ordnungspolitik gilt, dass sie stetig von anderer Macht durch- und unterbrochen wird.
    Der Soziologe Ulrich Beck unterscheidet zwei Arten der Politik: politisches Handeln, das sich von Regeln leiten lässt und somit Ordnung sichert, und eine Politik, eine Gegenmacht, die die Ordnungspolitik stört. Diese Störung besteht, um mit Beck zu reden, in einem Handeln, das Regeln verändert, indem es die Regeln der Ordnung destabilisiert und transformiert.
    Die Ethik der Machtpolitik ist die Ordnung, die Ethik der Bürgerpolitik ist die Veränderung, ihr Ort ist die Zivilgesellschaft. Die Zivilgesellschaft gilt allenthalben als der Raum, in dem die Bürgerinnen und Bürger öffentlich mit- und füreinander handeln. Regierungspolitiker, Unternehmer, Lobbyisten sind nicht Teile der Zivilgesellschaft. Die Zivilgesellschaft – das sind Bürgerinitiativen und Nichtregierungsorganisationen. Auch die Kirchen sind Akteure in diesem Feld – wenngleich es sich im Blick auf die katholische Kirche nicht immer so eindeutig verhält, da der Heilige Stuhl Völkerrechtssubjekt und Vatikanstadt ein Staat ist. Somit können beide, Heiliger Stuhl und Vatikan, auch für die katholische Kirche auf der staatlichen Ebene agieren.
    Wer wissen will, was der Kern der Politik ist, der muss wissen, was es mit dieser Störung der Ordnung und ihren Regeln auf sich hat. Die Veränderung, um die es hier geht, ist ein widerständiges Handeln, das nicht eindeutig zu lokalisieren ist. Während Politik als Machtpolitik ein klar umrissenes Sachgebiet ist, charakterisiert es gerade diese Störung, dass sie nicht klar abgrenzbar ist. Sie ist weder auf einen bestimmten Ort in der Zivilgesellschaft beschränkt noch lässt sie sich auf ein bestimmtes Sachgebiet reduzieren. Die Störung entsteht durch einen plötzlichen Zusammenprall unterschiedlicher Ansichten, durch einen clash of views . Durch diesen Zusammenprall wird Reibung erzeugt, durch Reibung entsteht Hitze. Hat die Hitze eine bestimmte Temperatur, der Streit eine bestimmte Intensität erreicht, so entstehen Fronten und Gruppen. Die Störung ist aber nur solange eine politische Störung, wie sie die Weigerung enthält, den Gegner jenseits der Frontlinie als Feind zu denunzieren. Die Orte der Störung wechseln, weil immer wieder neue Fragen Hitze und damit Streit entfachen. Über Jahrzehnte waren Intellektuelle gewiss, dass die Religionen bereits soweit privatisiert seien, dass sie für die Politik hierzulande keine wirkliche Rolle mehr spielen würden. In der Gegenwart zeigt sich jedoch, dass das religiöse Feld immer wieder neu zum politischen Feld wird. Man denke nur an die Diskussionen über das sogenannte Kruzifixurteil, denKopftuchstreit, das sogenannte Beschneidungsurteil. Generell gilt: Alle sozialen Felder können jederzeit politische Felder werden.
    Die Störungen der Politik durch Formen des Protests und des Widerstandes sind der Motor von Politik. Politik ist um ihrer selbst willen darauf angewiesen. Ansonsten würde sie entweder zur bloßen Herrschaft verkommen oder zum bloßen Geschäft werden oder nur noch Verwaltung sein.
    Politiker, die den Staat wie ein Unternehmen führen, versuchen, diesen gegen Störungen zu immunisieren. Politiker, die so denken und handeln, sehen sich als Manager, die alle vier Jahre ihre Bilanz offenlegen und bei positivem Ergebnis auf Wiederwahl hoffen dürfen. Peer Steinbrück (SPD) steht für ein solches Politikverständnis. Er wird nicht müde, den Unterschied zwischen »gut gemeint« und »gut gemacht« hervorzuheben. Für das »gut gemacht« steht der politische Experte, der sich auskennt. Er hat den Über- und Durchblick. An seinen Ergebnissen möge man ihn messen. Der Staat ist aber nicht dazu da, Bürgerinnen und

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