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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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beispielsweise bei Rechtsanwälten halten?
    Â 
    Riester war Gewerkschafter.
    Â 
    Sicher. Andere sind Rechtsanwälte. Aber bei Nicht-Rechtsanwälten taucht das Problem auch auf. Sie haben Gerhard Schröder genannt. Als ich von seinem Engagement im Bereich Gazprom las, überlegte ich: Liegt es im deutschen Interesse, dass er im Bereich einer Gesellschaft, die für die Gasversorgung der Bundesrepublik erhebliche Bedeutung besitzt, eine Funktion wahrnimmt? An seiner Stelle hätte ich vielleicht die Bundeskanzlerin gefragt, die Bundesregierung, ob er das machen solle. Gut, er hat es aus eigener Entscheidung getan. Doch die Frage, ob es dem Gemeinwohl nützt, wenn ein früherer Politiker eine solche Funktion übernimmt, die darf man schon stellen. Sie ist nämlich mitunter nicht so klar zu beantworten wie bei Gerhard Schröder.

    Â 
    Aber auch da sind wir wieder auf das Wertegerüst der handelnden Personen angewiesen.
    Â 
    So ist es.
    Â 
    Und Ihrer Meinung nach können wir es auch nicht beeinflussen?
    Â 
    Nun, man kann es beeinflussen, indem man zum Beispiel sich selbst Fragen stellt, überlegt, ob die Entscheidung bedacht ist, ob sie dem Gemeinwesen nützt oder nur dem Betroffenen. Auch die Aufsichtsräte, die das letzten Endes beschließen, sollten darauf angesprochen werden. Noch etwas: Wer sich selbst in eine kritikwürdige Position begibt, findet als Kritiker kaum mehr Gehör.
    Â 
    Wie meinen Sie das – das habe ich nicht ganz verstanden?
    Â 
    Da nehme ich jetzt einmal auf meine eigene Erfahrung Bezug. Ich habe mir ein Leben lang eine Situation bewahrt, die es mir erlaubt, Kritik, wo ich sie für sachlich geboten hielt, nach allen Richtungen und ohne Rücksichtnahme auf solche Verbindungen frei auszudrücken. Das tue ich ja gerade auch in unserem Gespräch.
    Â 
    Das heißt: Helmut Schmidt, der in einen publizistischen Beruf gewechselt ist, wäre als Kritiker leichter zu hören als Gerhard Schröder, der es vorgezogen hat, in die private Wirtschaft zu gehen?
    Â 
    Ist die Zeit, wo er als Herausgeber tätig ist, nicht auch der privaten Wirtschaft zuzuordnen?
    Â 
    Ja, eben. Ist das eine deshalb besser als das andere?
    Â 
    Nein, beides ist akzeptabel. Für einen Helmut Schmidt ist die publizistische Aufgabe naheliegend und deshalb überzeugend. Auch der Verlag, um den es da geht, ist es. Es hätte auch Verlage gegeben, wo man das nicht so hätte sagen können. Und bei Gerhard Schröder, das erwähnte ich schon, liegt sein Engagement im deutschen Interesse. Wenn dadurch unsere Gasversorgung von Schwierigkeiten in der Ukraine unabhängiger wird und das gerade in einer Zeit, in der wir die Kernenergie abbauen wollen, so ist das von erheblicher Bedeutung.

    Â 
    Was hat sich seit der Fundamentalkritik Richard von Weizsäckers, die er Anfang der neunziger Jahre gegenüber den Parteien geäußert hat, geändert? Schon damals hielt er fest, dass die Parteien vor Wahlen machtbesessen und hinterher machtvergessen seien. Was haben diese Worte bewirkt?
    Â 
    Wenn Richard von Weizsäcker etwas sagt, verdient es immer Aufmerksamkeit. Es gab damals eine lebhafte Diskussion über diese Äußerung. Die einen stimmten zu, die anderen widersprachen ihm. Auf jeden Fall lohnt es sich, über seine Bemerkung nachzudenken, was ich seinerzeit durchaus getan habe. Allerdings erinnerte ich Weizsäcker in einem Gespräch und sogar in einem Artikel daran, dass er aus diesen von ihm so kritisierten Parteien hervorgegangen sei und dass er niemals Bundespräsident geworden wäre, wenn er nicht in einer dieser Parteien seinen Weg genommen und seine Fähigkeiten für das Gemeinwohl verfügbar gemacht hätte. Schließlich hätten ihn Parteien – darunter auch schon für seine erste Amtszeit die große Mehrheit der SPD – zum Bundespräsidenten gewählt. Dass ich da recht hatte, räumte er dann auch ein.
    Â 
    Aber ist es seitdem besser geworden?
    Â 
    Es ist nicht in dem Maß schlechter geworden, wie die allgemeine Meinung es anzunehmen scheint. Besser geworden, mein Gott – bei und nach jeder Wahl kann man erleben, dass Machtverteidigung und Machterringung eine zentrale Rolle in der Politik spielen. Und wie dann in den Koalitionsverhandlungen und danach mit der Handhabung der errungenen Macht verfahren wird. Vor einer besonderen Probe steht dabei die neue Stuttgarter Koalition. Hier

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