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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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Tätigkeit oft wichtiger als der große öffentlich wahrgenommene Erfolg.
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    Sie halten die Phänomene Guttenberg und Co. somit nicht für Untergangsvorboten einer politischen Klasse?
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    Ich halte sie für alarmierend. Es ist notwendig, sich mit ihnen zu beschäftigen, den Gründen nachzugehen. Aber von »Untergang« habe ich seit Gründung der Bundesrepublik eigentlich noch nie geredet. Und auch den Herren Guttenberg und Co. würde ich nicht die »Ehre« antun, Sie als Vorboten eines drohenden Untergangs der »politischen Klasse« zu bezeichnen. Das Wort »politische Klasse« habe ich dabei aus den von mir schon genannten Gründen in Anführungszeichen verwendet.
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    Wie groß ist Ihrer Meinung nach der Einfluss, den Lobby-Gruppen heute auf die Gesetzgebung ausüben, und zwar im Vergleich zu den Tagen, als Sie politisch aktiv waren? Ich denke da zum Beispiel an die Erleichterungen für den Hotel- und Gastronomiebereich …
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    Ja, das hatte einen wenig appetitlichen Beigeschmack. Aber Lobby-Arbeit in dem Sinne, dass Interessengruppen ihre Vorstellungen
gegenüber dem Bundestag, gegenüber Ministerien und Abgeordneten darlegen und zur Geltung bringen – das gab es eigentlich immer. Und dagegen ist ja auch grundsätzlich nichts einzuwenden. Etwas, was ich aber nur aus den Medien weiß, ist allerdings völlig neu: Es gibt anscheinend Leute, die im Dienste eines Verbands oder Unternehmens stehen, von diesen beurlaubt werden, um eine Zeit lang als Angestellte in Ministerien zu arbeiten. Dort wirken sie an Gesetzentwürfen mit, die ihren Bereich betreffen, bis sie dann wieder zu ihren alten Auftraggebern zurückkehren. Das halte ich für völlig inakzeptabel, weil nicht mehr klar ist, wessen Interessen da wahrgenommen werden. Da braucht es eine absolute Scheidewand. Die Lobby-Arbeit muss so transparent wie möglich gemacht werden.
    Â 
    Wie ist das zu bewerkstelligen?
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    Das ist zu einem relevanten Teil mit Vorschriften zu regeln, die dann auch überwacht werden müssen. Außerdem richtet sich an beide Seiten, also an die Politik und die Wirtschaft, ein dauernder Appell, das Vertrauen, das die Demokratie dringend braucht, nicht zu gefährden.
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    Wieso verhallt der denn auch bei SPD-Mitgliedern ungehört? Ich denke da an den früheren Arbeitsminister Walter Riester, der sich von Carsten Maschmayer, dem Begründer des Finanzdienstleisters AWD, unter Vertrag nehmen ließ. Diese Firma hat unglaublich vom Privatisierungsschub in der Rentenversicherung profitiert. Und Bert Rürup, der in der Rentenreform-Kommission von Rot-Grün 1999 bis 2001 mitgewirkt hat, gründete mit Maschmayer 2010 sogar eine AG, die MaschmayerRürup AG. Wolfgang Clement ist durchaus auch tätig für die, die von seinen Gesetzen profitiert haben. Und Gerhard Schröder ist in einer für Bundeskanzler rekordverdächtig kurzen Zeit nach dem Amte in die Privatwirtschaft gewechselt. Also, diese Liste ließe sich fortsetzen.
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    Frau Maischberger, das sind jetzt zwei Paar Schuhe. Wir haben bisher über Menschen geredet, die aktiv in der Politik arbeiten und wichtige Entscheidungsträger sind. Dazu habe ich mich bislang geäußert.
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    Richtig.

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    Und jetzt sagen Sie …
    Â 
    Es ist das Ansehen der Politiker, das dadurch Schaden nehmen könnte. Für mich gehört dies dazu.
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    Ich akzeptiere, dass wir darüber sprechen müssen. Dies ist ein sensibles Thema. Wenn man später auf Gebieten, für die man politisch zuständig war, weiter arbeitet, so ist ein gewisser zeitlicher Abstand wünschenswert oder sogar geboten. Beim Übergang zu privaten Unternehmen im Besonderen. Dieses Problem hatte zu meiner Zeit einmal im Fall Martin Bangemann, der bis 1999 EU-Kommissar für den Binnenmarkt und den Kommunikationsbereich war, eine Rolle gespielt. Als er dann im selben Jahr zum spanischen Konzern Telefónica wechseln wollte, wurde ihm das als ein Fehlverhalten vorgeworfen. Am Ende ging er erst 2001 in das Unternehmen. Die EU setzte danach eine Ethikkommission ein und entwickelte einen Verhaltenskodex. Den zeitlichen Abstand halte ich für wichtig. Ein absolutes Verbot, weiter auf dem Gebiet tätig zu sein, wenn es zudem noch das berufliche Feld des Betreffenden ist, in dem er arbeitete, bevor er ein politisches Amt übernahm – da habe ich meine Zweifel. Wie wollen Sie das

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