Wie wollen wir leben
Erhöhung der Politikerbezüge bin ich aber nicht. Die Bezahlung, die heute beispielsweise ein Minister bekommt, reicht für ein anständiges, seinem Amt angemessenes Leben. Bei den Abgeordneten ist das Hauptproblem, dass sie selbst über ihre Bezüge entscheiden müssen. Deshalb sind sie leichter angreifbar und auch bei sachlich gebotenen Angleichungen zögerlich. Ich habe daher wiederholt vorgeschlagen, dass die Abgeordnetenbezüge nicht von den Abgeordneten selbst, sondern von einer vom Bundespräsidenten berufenen unabhängigen Kommission festgesetzt werden. Dafür müsste allerdings die Verfassung geändert werden. Und das ist leider jedes Mal schon im Anlauf gescheitert. Davon einmal abgesehen: Die aktuellen Vergütungen der Bundestagsabgeordneten erlauben es ihnen jedenfalls, Einkünfte in Vorstandsetagen als maÃlos zu kritisieren.
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Das stimmt. Trotzdem noch mal zurück: Wenn Journalisten an dem schlechten Politikerbild schuld sind â warum sollen sie mehr Respekt vor Politikern haben als die vor sich selbst? Hört man sich an, was die übereinander sagen, muss man sich da nicht wundern, dass ein gewisses Maà an Respekt verloren geht?
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Ja â das gibt es. Und es tut der Demokratie nicht gut, wenn der jeweilige Gegner als dumm, gefährlich, böse oder intrigant bezeichnet wird. Aber das ist nicht völlig neu. Wie hat denn Franz Josef Strauà über Herbert Wehner geredet? Und ist nicht Willy Brandt, selbst von Konrad Adenauer, wegen seiner unehelichen Geburt angegriffen worden? Wiederum sind auch hier die Medien in der
Pflicht. Ihre Darstellungen formen insoweit die Vorstellung davon, wie Politiker miteinander umgehen. Weniger Skandalisierung, mehr Beschreibung der sachlichen Gegensätze wäre am Platze.
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Wir transportieren das, was im politischen Alltag passiert.
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Na â aber es wird doch häufig auch das ausgesucht, was unter dem Gesichtspunkt der Quote oder Auflage Sinn macht. Das zu sagen ist erlaubt. Oder?
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Ich gebe zu, dass ich gern Gäste in meine Sendung einlade, die des Wortes mächtig sind. Das war aber im Ãbrigen einst eine Grundvoraussetzung der Demokratie, dass man gewisse rhetorische Fähigkeiten mitbringt. Wenn man sich, was das betrifft, mal umschaut, stelle ich fest, dass man da heute häufig sehr verloren ist â das muss man auch mal konstatieren. Rhetorische Fähigkeiten sind bei der Auswahl derer, die es politisch an die Spitze schaffen, nicht eine unbedingte Voraussetzung. So scheint es mir jedenfalls.
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Das mag so sein. Aber es kommt etwas hinzu, was ich jetzt zugespitzt anschneide: Der Bundestag ist im elektronischen Bereich viel zu wenig präsent. Ich sage das nicht leichtfertig â ich schaue mir sehr häufig auf BR-alpha die Tagesschau von vor fünfundzwanzig Jahren an, und da war die Ãbertragung aus dem Bundestag rein zeitlich betrachtet das Doppelte bis das Dreifache von dem, was ich heute erlebe. Die sogenannten Talkshows â ich sage lieber Gesprächsrunden â sind dafür kein Ersatz.
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Das mag für die Tagesschau stimmen, aber es gab damals keinen eigenen Sender, der Debatten komplett übertragen hat â und den haben wir heute. Wir haben mit Phoenix ein Programm, das sich im Schwerpunkt um die politische Auseinandersetzung im Bundestag bemüht. Und im Internet haben wir die Möglichkeit, per Livestream Debatten zu verfolgen. Ich habe das Gefühl, wir berichten sogar mehr live aus dem Bundestag als früher.
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Na gut, aber Phoenix ist ein Spezialsender. Für groÃe Sender ist der Bundestag jedoch nicht mehr das, was er einst war. Es gibt Tage, da wird der Bundestag, obwohl er tagt, keine Sekunde gezeigt. Stattdessen wird beispielsweise über den jüngsten Stand des Kachelmann-Prozesses ausführlich berichtet.
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Ich gehe wieder einen Schritt zurück: Die Sehnsucht, die jemand wie Guttenberg ausgelöst hat, die Aufmerksamkeit, die ein Sarrazin erzielt hat, die Liebe, das sage ich jetzt ganz vorsichtig formuliert, die jemandem wie Gauck in seiner Kandidatur entgegengebracht wurde â das ist doch auch Ausdruck dessen, dass Personen mit einem eigenen Profil, mit einem unverwechselbaren Charakter gewünscht werden. Ist das Parteiengefüge aber tatsächlich in der Lage, diese Personen zu finden, wenn sie denn da sind, und sie zu stärken? Und wenn nicht: Laufen wir dann Gefahr, Demagogen
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