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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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könne zu direkten Konfrontationen zwischen Arm und Reich kommen. Diejenigen, die die Hoffnung verlieren, die verzweifelt sind, die Desperados, könnten leichter zur Gewalt greifen.
    Â 
    Welche Rolle spielt das Fehlen eines Kommunismus mit seiner radikalen Ideologie der Gleichheit? Dabei ziele ich auf die Grundgedanken von Karl Marx ab, nicht auf das, was in der Realität aus ihnen wurde.
    Â 
    Seine Analysen sind nach wie vor beachtlich und lesenswert. Marx hat die Globalisierung bereits in einer Art und Weise beschrieben, die aus der heutigen Zeit stammen könnte. Dem kann ich zustimmen, nicht aber den Folgerungen, die er daraus zieht. Wenn ich das richtig im Kopf habe, spricht er von einem Absterben des Staates, der dann durch eine Gesellschaft einer gewissen Beliebigkeit ersetzt wird. Nach seiner Vorstellung könnten wir morgens jagen und abends ein bisschen arbeiten, manchmal auch tagsüber und danach zum Angeln gehen. Hier verlässt er meines Erachtens die Realität. Zudem konnte er nicht die technischen Entwicklungen in ihrem ganzen Ausmaß voraussehen und die damit verbundenen Anforderungen für die Produktion und für die Dienstleistungen. Aber hat Marx überhaupt eine absolute Gleichheit verlangt? Ich weiß es nicht genau. Auf jeden Fall hat er von einer absoluten Entwicklungsmöglichkeit des Einzelnen gesprochen.
    Â 
    Das verlangen nicht anders die Sozialdemokraten, wenn sie die Chancengleichheit betonen.

    Â 
    Ja. Sie verlangen auch staatliche Initiativen, um dieses immer weitere Auseinanderklaffen zu erschweren oder sogar umzukehren.
    Â 
    Dann wollen wir doch mal damit beginnen, mit der Veränderung von oben. Würden Sie den Spitzensteuersatz erhöhen?
    Â 
    Ja, und die Vermögenssteuer einführen. Diesen Weg würde ich gehen. Nicht, weil das große Summen ergibt, sondern weil es zeigt, dass der Staat die Gemeinwohlverpflichtung besonders hoher Einkommen ernst nimmt.
    Â 
    Vermutlich würden Sie Gewinne aus Kapitalerträgen höher besteuern, als sie bisher besteuert wurden?
    Â 
    Ich bin kein Steuerexperte, aber ich würde in diesem Fall hinsichtlich der Höhe des erzielten Gewinns einen Unterschied machen und auch berücksichtigen, wem er zugutekommt und wer ihn erwirtschaftet hat. Ein Unternehmen braucht Gewinne, um weiterleben zu können und auch seine Arbeitsplätze zu sichern. Und ein hoher einmaliger Gewinn muss mit Verlusten aus der Vorzeit verrechenbar bleiben. Aber jetzt verliere ich mich im Steuerrecht …
    Â 
    Umverteilung ist ein anderes Stichwort. Diejenigen, die in den letzten Jahren Umverteilung forderten, wurden ganz schnell in eine Ecke gestellt. Würden Sie sich zur Umverteilung bekennen?
    Â 
    Im gewissen Maße ist sie notwendig, um unserer Wertordnung gerecht zu werden und Fehlentwicklungen des Marktes zu korrigieren.
    Â 
    Auch wenn es in die Freiheit des Einzelnen eingreift?
    Â 
    Wo greift das ein?
    Â 
    Wenn Sie besonders hohe Vermögen so besteuern wollen, dass sie nicht noch höher werden.
    Â 
    Ist es ein Eingriff in die Freiheit, wenn der Betreffende sich erst im nächsten Jahr seine dritte Immobilie kaufen kann? Wenn Sie das so sehen, müssen wir über den Freiheitsbegriff reden. Immerhin bleibt dieser Vermögende völlig frei in seiner Entscheidung, wie er künftig leben will, als Arbeitnehmer beispielsweise oder eben als
Verwalter seines Vermögens. Da ist er ganz frei. Aber er hat nicht das Recht zu einer Freiheit, die andere und das Gemeinwesen beschädigt.
    Â 
    Wenn einer viel verdient und ein anderer wenig – gibt es da einen Zusammenhang? Muss man sich für Reichtum schämen?
    Â 
    Nein. Ich verlange nicht, dass sich die Reichen schämen, aber dass sie mit ihrem Reichtum etwas Sinnvolles tun.
    Â 
    Okay.
    Â 
    Ich würde bei der Frage, sich schämen oder nicht schämen, auch berücksichtigen wollen, wie der Reichtum zustande gekommen ist. Wenn ich am Rande der Legalität andere so hineingelegt habe, dass ich daraus einen Riesengewinn gezogen habe, dann würde ich auch sagen: »Dafür musst du dich schämen.« Derjenige, der durch die Entscheidung eines Aufsichtsrats enorme Summen oder Abfindungen bekommt, sollte sich auch schämen, wenn das gewisse Grenzen übersteigt. Aber darüber nachdenken, was er mit dem Geld anfängt, sollte er auf jeden Fall. Und mit der ungerechten Umverteilung sollten sich auch die Aufsichtsräte

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