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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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»Was du nicht willst, dass man dir tut, das füg auch keinem andern zu!« Helfen uns diese Vorstellungen in der Politik?
    Â 
    Wir könnten sie etwa im Umgang zwischen Parlamentariern verschiedener Fraktionen und Parteien beherzigen. Grundsätze wie diese würden da gelegentlich hilfreich sein.
    Â 
    Müssen wir Europa lieben, um zu verstehen, dass wir die Griechen mitfinanzieren?
    Â 
    Wir müssen beides tun, lieben und verstehen. Wir müssen durchaus die europäischen Traditionen und ihre Wurzeln im Gedächtnis behalten. Dieses Europa der letzten 2000 oder 2500 Jahre ist
ja wahrlich etwas ganz Besonderes. Man darf sich an Plato, Sokrates und an Aristoteles erinnern. Wer will, auch an Alexander den Großen. Oder an den griechischen Freiheitskampf zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Das reicht aber allein zur Begründung der Hilfe für Griechenland nicht aus. Da kommen ebenso Gedanken der Solidarität und unserer eigenen Interessen ins Spiel. Was würde denn geschehen, wenn wir Griechenland scheitern lassen? Leidtragende wären dann nicht nur die Griechen, sondern alle Euro-Länder, und insbesondere auch wir.
    Â 
    Wenn Sie den gesellschaftlichen und sozialen Zusammenhalt betrachten – wie würde Ihr Traum von einer funktionierenden Gesellschaft aussehen?
    Â 
    Ich kann versuchen, Ihnen diesen Traum zu schildern. Doch dem von mir erwünschten Zustand kann man sich immer nur nähern, man wird ihn nie absolut erreichen. Also, meine ideale Gesellschaft würde in etwa so aussehen: Sie nimmt ihre Wertordnung ernst und bemüht sich innerhalb ihrer demokratischen Strukturen – auch in kontroversen Diskussionen – immer wieder darum, dass die tatsächlichen Lebensverhältnisse mit dieser Wertordnung übereinstimmen. Sie weiß um ihre internationale Verantwortung. Sie kämpft für den Frieden. In ihr ist es üblich, dass man friedlich miteinander umgeht und einander hilft, man hat Vertrauen zueinander. Misstrauen ist ganz selten. Es ist eine Gesellschaft, in der es weniger Stress und mehr Oasen der Ruhe und des friedlichen, entspannten Miteinanders gibt. In der alle haben, was sie für ein menschenwürdiges Leben brauchen. Vielleicht ist es sogar eine Gesellschaft, in der musiziert, gesungen, getanzt, gespielt, geflachst und gelacht wird. Und Kindern vorgelesen. Und in der alle ihre Chance haben.
    Â 
    Wo ist der Glaube? Kommt der nicht bei Ihnen vor?
    Â 
    Entschuldigung, ich habe einen gesellschaftlichen Zustand beschrieben. Der Glaube gehört in die Abteilung der Begründungen. Er kommt bei mir ins Spiel, wenn wir fragen, warum und auf welchem Weg wir dieses Ideal verwirklichen wollen.

    Â 
    Wie weit sind wir davon entfernt?
    Â 
    Unterschiedlich weit. Von manchen Dingen sind wir ziemlich weit entfernt, von anderen nicht so weit. Das, was meiner Ansicht nach für den Zustand der Gesellschaft aktuell am bedrohlichsten erscheint, ist die ständig wachsende Kluft zwischen Arm und Reich. Und kein Geringerer als Ralf Dahrendorf, Soziologe und seinerzeit Mitglied des englischen Oberhauses, hat uns schon 1985 in seiner berühmten Schrift The Welfare and Social Cohesion in a Free Society dargelegt, was es bedeutet, wenn diese Kluft sich erweitert.
    Diese Diskrepanz kann eines Tages die Gemeinschaft zerreißen. Dann, wenn es auf der einen Seite eine Gesellschaft der Reichen gibt, die für ihre Sicherheit eingezäunte Wohnviertel bauen lassen. Und auf der anderen eine der Armen, die in Favelas und Slums wohnen. Und diese Kluft hat sich eben in den letzten zehn, zwanzig Jahren deutlich erweitert. Übrigens auch bei uns. Und zwar ganz besonders stark in den Kinderjahrgängen, weil die Kinderarmut überproportional gestiegen ist.
    Â 
    Mitte, Ende des vorletzten Jahrhunderts existierte ebenfalls ein großes Wohlstandsgefälle, woraufhin sich die Sozialbewegungen und -gesetzgebungen entwickelten. Wo war Ihrer Meinung nach in Deutschland das Verhältnis zwischen Arm und Reich idealtypisch ausgeglichen? Waren das die fünfziger, sechziger Jahre?
    Â 
    Unmittelbar nach Ende des Zweiten Weltkriegs war diese Kluft fast ohne Bedeutung, weil es uns allen gleich schlecht ging. Dann öffnete sie sich allmählich, blieb aber unter einer gewissen sozialen Kontrolle. Jetzt wächst sie kontinuierlich.
    Â 
    Aber jene Zeit ist bestimmt nicht ein Idealzustand in Ihrem Sinne?
    Â 
    Das ist richtig. Und in den von Ihnen erwähnten

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