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Wie wollen wir leben

Wie wollen wir leben

Titel: Wie wollen wir leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Maischenberger
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beschäftigen. Sie entscheiden ja letzten Endes darüber. Im Übrigen sitzen dort in der Regel auch Gewerkschaftsvertreter.
    Â 
    Sie sagten, jeder soll so viel haben, um ein menschenwürdiges Leben führen zu können. Bei der Frage nach Hartz IV – ich weiß, Sie mögen den Begriff nicht – ergab sich dabei ein zentraler Streitpunkt. Nicht wenige Sozialdemokraten sagen: »Wir können denen, die jetzt arbeiten, nicht zumuten, weniger Geld zu verdienen als vorher.« Man könne der kleiner werdenden Mitte nicht noch mehr abverlangen, um den wachsenden Bedarf einer größer werdenden »Unterschicht« zu finanzieren – das sei nicht gerecht.
    Â 
    Zunächst einmal existiert ein Rechtsanspruch auf ein Existenzminimum, der sich aus dem Artikel 1 des Grundgesetzes herleitet. Also nicht nur aus der Sozialstaatsbestimmung, sondern aus der Menschenwürde. Dies hat das Verfassungsgericht festgestellt, und das ist auch einleuchtend und unmittelbar richtig. Und es gilt nicht nur für Leute, die ohne Einkommen sind, sondern das
gilt ebenso – und da berühren wir den Bereich der sozialen Sicherung – in kritischen Lebenslagen. Das ist eine Konsequenz, die sich aus der Menschenwürde und aus der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergibt. Die Frage, wie der Staat sich fähig macht, diesen Anspruch zu befriedigen, ist in erster Linie eine Frage an die Politik und an den Gesetzgeber. Und verstehe ich Sie da richtig? Sie meinen, dass diejenigen, die gerade genug verdienen, um einigermaßen ein erträgliches Leben zu fristen, nicht herangezogen werden sollten? Aber zur Steuer wird man ja bis zu einem gewissen Betrag überhaupt nicht herangezogen. Steuerfreibetrag nennt man das. Das Problem sehe ich für diesen Personenkreis eher bei den Sozialabgaben. Die Sozialversicherungsbeiträge sind hier ein Problem. Ich betone es nochmals: Zu dem berühmten Mittelstandsbauch zählen nicht die, die mit Mühe mehr bekommen als ALG 2. Über den wirklichen Mittelstandsbauch kann man mit mir reden, wenn gleichzeitig oben eine Korrektur angebracht wird. Aber das Problem für diejenigen, die Sie im Auge haben, die Friseurin oder den Krankenpfleger, sind die Sozialversicherungsbeiträge. Da gibt es keine Freibeträge.
    Â 
    Dennoch: Der Bruttolohn in Deutschland hat in den meisten Bereichen entweder nicht zugenommen oder ist sogar gesunken. Eine vierköpfige Familie, in der Vater und Mutter im Niedriglohnsektor arbeiten, kommt mit ihrem gemeinsamen Verdienst und den Ausgaben, die sie hat, sehr nah an das heran, was einer vierköpfigen Familie zur Verfügung steht, wenn sie von Sozialleistung lebt.
    Â 
    Da haben Sie gerade eine glänzende Begründung für das abgegeben, was Sozialdemokraten seit Jahren fordern, nämlich einen Mindestlohn. Der soll gerade diesen Abstand vergrößern.
    Â 
    Werden dann nicht einige, die noch Lohn bekommen, in die Leiharbeit fallen oder in die Arbeitslosigkeit?
    Â 
    Und mit welcher Begründung? Wer leistet dann die Arbeit, die sie geleistet haben?
    Â 
    Beispielsweise die Menschen, die im Leiharbeitssektor bei denselben Stellen wieder anfangen, aber für weniger Lohn. Wir hatten darüber schon gesprochen.

    Â 
    Warum haben dann eine Menge mit uns vergleichbarer Länder einen Mindestlohn? Warum haben die das?
    Â 
    Ich lege Ihnen nur die Argumente der Gegenseite dar.
    Â 
    Gut, das sind Argumente, die ich höre und respektiere, aber nicht akzeptiere.
    Â 
    Dass man Sozialleistungen absenkt, kommt für Sie nicht in Frage?
    Â 
    Es gibt eine absolute Grenze, die sich aus dem Artikel 1 unseres Grundgesetzes ergibt, das haben wir erörtert. Unter diese Grenze kann man nicht gehen. Natürlich wird immer darüber diskutiert werden, wo diese Grenze liegt. Aber die gegenwärtigen Leistungen können wohl kaum gesenkt werden. Wer schlägt das denn vor?
    Â 
    Der Herr Buschkowsky, den Sie schon mehrmals genannt haben, ist der Meinung, dass einige seiner ALG-2-Empfänger offensichtlich zu viel in der Tasche behalten, wenn sie noch in der Lage sind, sich den neuesten Flachbildschirmfernseher zu kaufen.
    Â 
    Ich schätze und kenne Heinz Buschkowsky, ich war selbst Bundestagsabgeordneter in seinem Berliner Stadtbezirk Neukölln, infolgedessen weiß ich, wovon die Rede ist. Doch die Situation in Neukölln auf die gesamte Bundesrepublik zu übertragen, das geht

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