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Wiedergaenger

Wiedergaenger

Titel: Wiedergaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandra Kui
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Der eine führt die Küste entlang, der zweite
über den Pass am Bergsee vorbei. Die reinste Spukhölle.
Dafür entscheidet sich Atlí.
    Â»Warum nimmst du nicht die andere Strecke? Die Uferpiste ist
doch viel schlechter.«
    Â»Ich will einen Stein in den See werfen. Das bringt Glück.
Ich fahre eben ein bisschen langsamer. So viel Zeit muss sein.«
    Sie stöhnt auf. Steine in den See werfen, das wollte er schon
als kleiner Junge ständig. Er liebt diesen von Bergen
umschlossenen Ort mit seinem dunkelblauen Wasser.
    Fritzi glaubt nicht, dass es Glück bringt, Steine in den See
zu werfen, sie hat eine eigene Theorie über die Gegend. »In
Frostnächten ist die Straße gefährlich. Es gab schon
so viele Unfälle.«
    Er deutet in den Himmel. »Wir haben Vollmond. Es ist
taghell. Wenn die Straße vereist ist, werde ich es sehen.«
    Â»Und was ist mit dem Braunen? Geisterlieben den Vollmond. Es
ist nicht nur meine Meinung, dass der Móri sich mit Vorliebe
dort am See aufhält, besonders nachts, besonders wenn es friert.
Bjarney meint auch: Die vielen schweren Unglücke gehen auf seine
Rechnung.«
    Schallendes Gelächter. »Soso, Bjarney meint das auch?
Was für eine Überraschung. Du und deine verrückte
Freundin, wann hört ihr zwei endlich auf mit diesem Aberglauben?
Dass ihr mir ja meinen Sohn nicht damit erschreckt. Keine
Gutenachtgeschichten, in denen der Braune mitspielt. Damit das von
Anfang an klar ist.«
    Â»Und deine Steinewerferei? Ist das etwa kein Aberglaube?«
    Â»Das ist etwas völlig anderes. Empirische Forschung in
eigener Sache. Bis jetzt hat es jedes Mal geklappt mit dem Glück.
Überall auf dem Seegrund liegen meine Glückssteine, und
heute kommt noch einer dazu.«
    Sie erreichen den See. Das Ufer ist vereist. Atlí dreht mit
dem Jeep eine Runde auf dem breiten Strand aus Kies und Geröll
und parkt direkt am Ufer, wo er aussteigt. Fritzi bleibt zunächst
sitzen, damit es schneller geht,erst sein Winken bringt sie dazu, ihm
zu folgen. Widerwillig. Kein Wind geht, es ist nichts zu hören
außer dem Ächzen von Eisschollen, die aneinanderreiben.
Das Wasser ist in Bewegung, der See friert selten komplett zu, da er
unterirdisch von warmen Quellen gespeist wird. Sterne leuchten.Im
Mondlicht wirkt das Eis trüb. Im Hintergrund: aus Lava geformte
Klippen wie Messerspitzen.
    Atlí gibt sich Mühe, den richtigen Stein zu finden,
hebt einige auf, um sie sogleich wieder fallen zu lassen.Als er sich
bei einem sicher ist, zeigt er ihn der Mutter, bevor er zu einem
weiten Wurf ausholt. Ein schwerer schwarzer Stein. Kreisrund. Im Flug
verliert sie ihn aus den Augen. Dem Geräusch nach fällt er
nicht ins Wasser und versinkt, sondern landet auf Eis, schlittert und
bleibt liegen. Fritzi hat ein komisches Gefühl im Magen: als
wäre in ihr ein Gefäß mit einer sehr kalten
Flüssigkeit explodiert, welche sich nun über die Blutbahnen
in ihrem ganzen Körper ausbreitet.
    Atlís Blick verschattet. »Wirf du auch einen«,
fordert er sie auf.
    Fritzi lehnt ab.
    Zurück im Auto dreht er das Radio auf: harte amerikanische
Rockmusik mit dröhnenden Bässen, die Gitarren und Stimmen
ein einziger Schrei.
    Atlí, Gitarrist einer Band mit ähnlichen Liedern in
isländischer Sprache, nickt im Takt mit, sodass dicke Strähnen
seiner rotblonden Zotteln sich aus dem Zopf lösen und ihm ins
Gesicht fallen. Die Finger trommeln unrhythmisch auf dem Lenkrad
herum. »Du«, ruft er, »ich glaube, mit Kind, das
wird toll.«
    Â»Bestimmt. Schau auf die Straße.« Sie beugt sich
vor und stellt das Radio leiser.
    Er protestiert, lässt aber beide Hände am Steuer.
Plötzlich schwillt die Musik wieder an.
    Â»Was ist das denn?« Die kalte Flüssigkeit aus dem
Magen erreicht ihre Stirn.
    Â»Besserer Empfang, die Stadt kommt näher. Oder...«,
er verstellt seine Stimme zu einem tiefen Gemurmel, »... der
Móri spielt uns einen Streich.«
    Â»Lass das. Fordere ihn nicht heraus.«
    Atlí lacht.
    Â»Sei still.«
    Aufgekratzt wie ein Halbwüchsiger nach dem ersten Besäufnis,
beschleunigt er den Geländewagen. Die Schotterstraße
steigt an, erklimmt einen Berg und wird dabei kurviger und enger.
Geradeaus über einem schneebedeckten Gipfel der Mond zum Greifen
nah, rechter Hand, tief unter ihnen, der See.
    Â»Fahr langsamer.«
    Â»Das bin ich nicht, das ist

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