Wiedersehen in Barsaloi
Weise fremd für sie. Sie steht zwischen den Kulturen und lebt doch nur in einer – der weißen. Mein Herz hängt mehr an Afrika als ihres. Sie hat die Sichtweise einer Weißen und wird dennoch nicht als Weiße wahrgenommen. Es ist nicht einfach für sie und deshalb möchte ich filmisch und fotografisch so viel wie möglich festhalten, um ihr die afrikanische Familie näher bringen zu können.
Meine Unruhe wird immer größer, ich bin neugierig und voll innerer Anspannung. In der Ferne sehe ich bereits die ersten Behausungen von Barsaloi. Es scheint um einiges größer geworden zu sein. Dennoch kommt mir der Anblick so vertraut vor, als ob ich erst vor kurzem hier gewesen wäre.
Zwischen Büschen und Akazien tauchen die länglichen Gebäude der Schule auf. Wir fahren langsam auf ein Tor zu, vor dem der Schuldirektor bereits wartet und uns herzlich begrüßt. Hinter ihm befindet sich eine Mauer mit verschiedenen Wandgemälden. Eines zeigt einen Richter in Robe und entsprechender Mütze. Daneben spielen zwei Kinder Fußball. Auf dem dritten farbigen Bild ist ein Tisch mit einem Computer dargestellt, den ein mit einem feinen Anzug bekleideter Mann bedient. Über den Gemälden steht der Spruch »Walk out productive«. In dieser abgelegenen Steppe sieht zumindest das Bild mit dem Computer ziemlich komisch aus, zumal ich von James weiß, dass es häufig sogar an den dringendsten Materialien wie Stiften und Papier mangelt und selbst er sich mit Computern nicht auskennt.
Der Direktor führt uns durch die Schulanlage und ich staune, was hier mit geringsten Mitteln entstanden ist. Die Klassenzimmer sind einfach, aber zweckmäßig eingerichtet. Fenster aus Glas gibt es nicht, dafür sind sie mit Maschendraht vergittert. Der ganze Stolz des Schulleiters ist eine kleine Bibliothek mit ein paar wenigen Büchern. Die Kinder können sich dort ein Buch holen und in einem kahlen, nüchternen Aufenthaltsraum lesen. Nach Hause dürfen sie die Bücher allerdings nicht mitnehmen, da sie in den Manyattas durch den Rauch beschädigt würden.
Einige Kinder schauen neugierig durch die vergitterten Fenster und bestaunen die weißen Besucher. In einer Ecke des Hofes stehen andere in einer Reihe an, um ihre Aluminiumteller mit Ugali, einer Art Maisbrei, füllen zu lassen. Sie alle machen einen scheuen, aber zufriedenen Eindruck. Ich bin sicher, sie sind stolz darauf, von ihren Eltern überhaupt in die Schule geschickt zu werden. Was würde wohl meine Tochter sagen, wenn sie hier zur Schule gehen müsste?
So interessant und bewegend der Schulbesuch auch ist, möchte ich nun doch endlich ins Dorf und meine Familie wiedersehen. Sie verstehen sicher nicht, warum wir immer noch nicht da sind, nachdem sie die Staubwolken schon vor einer Weile gesehen haben.
Endlich fährt unser Wagen langsam die steile Böschung des Barsaloi-Rivers hinunter und durchquert das 150 Meter breite, trockene Flussbett. Nur noch ein paar Meter und wir haben das Dorf erreicht. Rechts und links des Weges sehe ich die ersten Hütten.
Mit klopfendem Herzen versuche ich, mit den Augen so viel wie möglich zu erfassen. Wo steht wohl Lketinga? Wo wird er mich empfangen? Steht er im Dorf oder wartet er in einer Hütte, abgeschirmt von all den neugierigen Blicken? Es sind so viele neue Holzhütten entstanden, dass ich gar nicht weiß, wohin ich zuerst schauen soll. Überall stehen Menschen. Links oben erkenne ich die Mission. Sie erscheint mir kleiner als früher. Auch fehlen die grünen Bananenbäume. Dafür ist die Kirche fertig gestellt. Kinder springen mit etwas Abstand unserem Wagen hinterher.
Da! Endlich entdecke ich unseren zweiten Wagen und das Motorrad von James. Unser Fahrer hält direkt daneben. Als ich etwas benommen aussteigen möchte, schießen mir durch das offene Wagenfenster zwei Arme entgegen und umklammern meinen Hals, während ich gleichzeitig abgeküsst werde. Ich höre immer wieder: »Oh Corinne, oh Corinne!«, und weiß gar nicht, was los ist, geschweige denn, wer mir da am Hals klebt. James eilt herbei und führt den offensichtlich gerührten Mann weg. Lketinga war es auf jeden Fall nicht!
Lketinga
Endlich kann ich aussteigen und habe freie Sicht. Etwa zwanzig Meter von mir entfernt erblicke ich Lketinga unter einer großen Schirmakazie. Lang und stolz steht er mit elegant gekreuzten Beinen in der typischen Massai-Haltung da.
Ich weiß, er wird sich keinen Schritt bewegen. Es gehört sich nicht, dass ein traditioneller Samburu einer Frau
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