Wiedersehen in Barsaloi
mich wirklich rührt. Mich kostet dieses Geschenk wenig, fast nichts, und dieses Mädchen kann sein Glück gar nicht fassen, dass es – einfach so – zu einem neuen Kleidungsstück gekommen ist. Ich freue mich mit ihr und schaue zu, wie sie schnellen Schrittes zu ihrer Herde zurückkehrt.
Einen Moment lang denke ich an Napirai, die ungefähr im gleichen Alter ist. Für sie etwas Passendes zum Anziehen zu finden, ist allerdings wesentlich komplizierter. Das schöne Erlebnis mit Natascha hebt meine innere Stimmung und ich erhole mich langsam von dem schwierigen Gespräch mit Lketinga. Trotzdem liegt zwischen uns noch eine spürbare Distanz.
Mit zunehmender Hitze leert sich langsam das Flussbett. Eine alte Frau steht plötzlich vor mir und zeigt ihre Schienbeine mit einer ausgetrockneten und rissigen Haut, die fast grau aussieht. Sie gibt zu verstehen, dass sie eine Salbe bräuchte. Leider kann ich nicht helfen. Zumindest hat Klaus seine Sonnencreme dabei, mit der sie sich zufrieden gibt. So unvermittelt sie aufgetaucht ist, so unauffällig zieht sie weiter. Auch wir machen uns auf den Rückweg. Überall liegen in Ufernähe Ziegen im Schatten der Bäume. Es ist jetzt sehr heiß und der sandige Boden wäre ohne Schuhe nicht mehr zu begehen.
Unser alter Shop
Im Dorf ist es ruhig, die Menschen haben sich an Schatten spendende Plätze oder in die Hütten zurückgezogen. Ich halte Ausschau nach meinem ehemaligen Shop. Kurz darauf stehe ich vor einem heruntergekommenen Gebäude, dem man dennoch ansieht, wie groß und prächtig einmal unser Laden war. Überall blättert die Farbe von den Wänden. Die Fenster sind vergittert und der Eingang verschlossen. Darüber ist das Wort »Hotel« in die Mauer geritzt. Ich versuche einen Blick ins Innere zu erhaschen, als unverhofft das Tor geöffnet wird. Dabei kippt die Türe fast aus den Angeln. Der Besitzer ist der Mann, der mir bei der Ankunft im Dorf als Erster um den Hals gefallen ist. Wie man sehen und riechen kann, hat er ein Alkoholproblem. Er bittet uns herein und erzählt Albert und Klaus ausführlich, wie hart ich früher in diesem Shop gearbeitet habe. Offenbar kennt er meine ganze Geschichte hier in Barsaloi und ist nach wie vor voller Bewunderung für mich. Ich jedoch kann mich einfach nicht an ihn erinnern.
Als ich später Lketinga darauf anspreche, meint er: »Ach, dieser Mann ist ein Verrückter, sprich nicht mit ihm!« Er scheint mir aber weder verrückt noch dumm zu sein. Seit einiger Zeit hat er den Shop gemietet und ihn in ein »Hotel« umfunktioniert. Als ich mich im Inneren umschaue, trifft mich fast der Schlag. Die ehemaligen Regale sind verfault oder zerbrochen. Alles starrt vor Dreck. Im hinteren Teil, wo wir einmal auch gewohnt haben, ist sein so genanntes Hotel untergebracht. Der Raum ist nur mit großen Tüchern abgetrennt, die für ein wenig Privatsphäre sorgen sollen. Matratzen oder gar Betten sind allerdings nicht vorhanden. Der Mann erklärt, seine Gäste bräuchten das nicht, da sie sowieso auf dem Boden schliefen. Enttäuscht und auch etwas angeekelt verlasse ich das Gebäude, das einmal der erste richtige Lebensmittelladen in Barsaloi war und in dem ich früher oft bis zum Umfallen geschuftet habe.
Auf unserem weiteren Weg durchs Dorf höre ich immer wieder aus allen Richtungen die Begrüßung »Mama Napirai«. Ansonsten ist es im Dorf und auch im Kral meiner afrikanischen Familie ruhig geworden. Die Erwachsenen haben sich verkrochen und die Kinder sind in der Schule oder mit den Tieren unterwegs. Nur Stefania mit ihrer ruhigen, unauffälligen Art und ihre Kinder Saruni und Little Albert sind da. Lketinga fragt besorgt, ob wir Hunger haben. Diese Frage lässt sich nur bejahen und so schlage ich vor, zusammen mit Stefania etwas zu kochen. Die Männer sind einverstanden und ziehen sich zurück. Lketinga geht wahrscheinlich zu seiner neuen Frau und Albert und Klaus gönnen sich eine Ruhepause in unserem Camp.
Unter Frauen
Wir beschließen, einen Eintopf aus Reis, Karotten, Kohl und Fleisch zu kochen. In der kleinen Küche hängt an einem Nagel neben dem Fenster das Vorderbein der gestern geschlachteten Ziege. Stefania nimmt es herunter und drückt es mir in die Hand. Mit einem großen Buschmesser schneidet sie, haarscharf an meinen Fingern vorbei, kleine Stücke ab. Ich darf nicht daran denken, dass dieses rohe Fleisch den ganzen Tag in der Hitze ohne Kühlschrank überdauert hat. Wir kochen alles zusammen in einem großen Topf und zu meiner
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