Wiedersehen in Barsaloi
viel Arbeit als Leiter einer Schule, betreut verschiedene Aktivitäten gemeinsam mit der Mission, organisiert die vielköpfige Familie, hilft Lketinga beim Hausbau, kümmert sich um Nachschub für seinen Shop, etc., etc. Neuerdings eilt er von Termin zu Termin, während um ihn herum die Welt in gewisser Weise stehen geblieben ist. Ohne sein Motorrad wäre das alles für ihn nicht machbar. Weil er es aber hat, erwartet jeder, dass er noch mehr erledigen kann. So hat das Motorrad viel Gutes, aber auch Nachteile gebracht. An seinem Fall kann man deutlich erkennen, dass der Fortschritt fast automatisch zu Hektik führt. Er bewältigt all seine Aufgaben ja nicht schneller, um mehr Freizeit zu gewinnen. Nein, er erledigt alles in kürzester Zeit, um anschließend noch mehr leisten zu können. Vom materiellen Standpunkt her ist sein Leben komfortabler geworden. Doch seine Gesundheit leidet offensichtlich unter den vielen Belastungen, da er an manchen Tagen nur zur Arbeit gehen kann, wenn er Kopfschmerztabletten einnimmt. Sehr europäisch! Er könnte sich sicherlich auch weniger engagieren, doch anscheinend ist er bereits mit dem Virus »Erfolg um fast jeden Preis« infiziert. Er erklärt, dass er noch vieles lernen möchte und sich vor kurzem für Weiterbildungskurse an der Universität in Nairobi angemeldet hat.
Als Lketinga wieder unter uns weilt, setzen wir uns um den Tisch und jeder hat einen voll geschöpften Teller vor sich. James isst für zwei und deshalb glaube ich nicht, dass er wirklich Malaria hat. Stefania und die Kinder schauen wieder nur zu, was uns doch etwas zu schaffen macht. James hingegen beruhigt uns und meint, sie essen später, wenn wir fertig sind. Hier ist es Tradition, dass erst die Männer essen und anschließend die Frauen und Kinder. Ich gelte also irgendwie als Mann.
Kleine Geschenke
Ich kann es kaum erwarten, bis wir mit dem Essen fertig sind und endlich unsere Geschenke verteilen können. Als es so weit ist, kommt auch Mama in James’ Haus. Es ist das erste Mal, dass ich sie auf einem Stuhl Platz nehmen sehe. Würdevoll sitzt sie da und stützt sich auf einen langen dünnen Stock. Dennoch ist ihr anzumerken, dass sie sich in dieser Umgebung nicht allzu wohl fühlt, obwohl sie nur zwanzig Schritte von ihrer Manyatta entfernt ist. Außerdem sind Lketingas Schwester, ein mir unbekannter Bruder und eine Kinderschar anwesend. Ich beginne mit den Kleidchen, T-Shirts und Pullis für das Baby, Little Albert, Saruni und Napirais Halbschwester Shankayon. Für sie habe ich zwei hübsche Röcke dabei. Dann bekommt Mama mehrere Röcke. Der erste ist aus einem robusten dunkelgrünen Stoff. Mama zeigt keine Regung. Der zweite ist etwas heller. Aber erst, als ich ihr den farbenfrohen blumigen Rock überreiche, kann sie ihre Freude kaum mehr verbergen. Auch das schöne königsblaue Schultertuch findet große Anerkennung. Sie ist zufrieden. Der mir unbekannte Bruder bekommt eine Decke, die Schwester und James’ Frau erhalten je einen Rock und einen Kanga. Lketinga verfolgt alles ganz genau und fragt lachend, ob ich denn für ihn auch noch etwas in der mittlerweile fast leeren Tasche habe. Ich überreiche ihm zunächst eine rot-gelbe Decke, die lebhaftes Interesse weckt, und einen Rock für seine Frau. Ich wusste ja nicht, dass er nun zwei Frauen hat. Da keine von beiden anwesend ist, muss er wohl selber entscheiden, wer das Geschenk bekommt. Die Männer erhalten Hemden, Lketinga natürlich ein rotes. Es folgen einfachere Uhren für meinen Ex-Mann und seine Frau sowie James und Stefania, und damit ist zumindest meine Tasche leer.
Doch auch Albert hat ganz persönliche Geschenke für die Familie. Alles wird mit großem Staunen begutachtet und die Augen der Beschenkten leuchten wie bei Kindern unterm Weihnachtsbaum. Als mein Verleger für James und Lketinga zwei Ferngläser auspackt, wissen sie zunächst nichts damit anzufangen. Also geht Albert mit den beiden nach draußen und zeigt es ihnen. James hält sich das Fernglas vor das Gesicht, dreht an den Rädchen und ruft plötzlich ganz aufgeregt: »Ich sehe dort drüben am Berg eine Manyatta und davor liegen zwei Ziegen! Ich sehe es so deutlich, als wäre es unser Nachbar. Unglaublich!« Auch Lketinga probiert seines geduldig aus, bis es schließlich auch bei ihm funktioniert. Nun stehen beide da, halten ihre Ferngläser vor die Augen und reden aufgeregt in ihrer für uns unverständlichen Maa-Sprache. Es sieht so komisch aus, dass wir alle loslachen
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