Wiedersehen in Barsaloi
Geschichten.«
Ich fühle mich gekränkt und bin gleichzeitig traurig. Dennoch versuche ich Ruhe zu bewahren, als ich, wenn auch in einem etwas energischeren Ton, entgegne: »Diese Leute kennst du nicht! Mich aber kennst du seit achtzehn Jahren. Ich habe in Barsaloi gelebt und habe alles versucht, hier mit dir glücklich zu sein und zu überleben. Es hätte mich mein Leben gekostet, wenn ich geblieben wäre. Aber ich unterstütze deine Familie, seit ich dieses Land völlig mittellos verlassen habe. Meinst du, das ist normal? Meinst du, wenn ich ein schlechter Mensch wäre, hätte ich mich all die Jahre um dich und deine Familie gekümmert? In meinem Land ist es nicht üblich, dass eine Frau, wenn sie weggeht, den Mann unterstützt. Ich habe euch sogar geholfen, als ich keine Arbeit hatte, und nach dem Erfolg des Buches umso mehr. Auch der Verlag und die Filmleute helfen euch. Glaubst du, du hättest all dies an meiner Stelle für mich getan?«
Er schaut mich an und sagt etwas ruhiger: »Nein, ich glaube nicht, aber ich weiß es nicht. Ich verstehe auch nicht, warum mir immer wieder Leute solche Geschichten erzählen. Es sind schon Journalisten gekommen und wollten, dass ich etwas Schlechtes über dich erzähle. Denen habe ich gesagt, dass du immer noch meine Frau bist, auch wenn du jetzt in der Schweiz lebst. Dass du mir hilfst und ich nicht weiß, warum ich etwas Schlechtes sagen soll. Denn du gehörst nach wie vor zu unserer Familie und bist die Mama meines Kindes. Ich habe einfach nicht mehr mit diesen Leuten gesprochen.«
Das sei wahrscheinlich das Beste, bestärke ich ihn und versuche ihm zu erklären, dass vieles mit Neid zu tun hat. Ich erinnere ihn an unsere Zeit in Mombasa, als so viele Intrigen gegen uns gesponnen wurden. Viele so genannte Freunde waren gegen uns, weil ich jung, hübsch und für afrikanische Verhältnisse vermögend war.
»Und heute ist es so, dass ihr Unterstützung bekommt. Ihr habt eine große Tierherde, James besitzt ein Haus und auch du bekommst durch die Filmleute zusätzlich ein richtiges Holzhaus. Wenn ihr mit dem Geld gut umgeht, braucht ihr nicht mehr zu hungern. Und das alles nur, weil du einmal den Mut hattest, eine Weiße zu heiraten. Ich glaube, so sehen es die Menschen. Es liegt doch auf der Hand, dass das Eifersucht erzeugt und viele Unbeteiligte versuchen, unser gutes Verhältnis zu zerstören, indem sie schlechte Dinge erfinden. Wahr ist, dass ich ein Auto in der Schweiz habe. Doch ich besaß schon immer einen Wagen, auch in Afrika. Mir gehört kein Haus, wie dir fremde Leute erzählen, sondern ich zahle jeden Monat Miete dafür. Und über die Geschichte von dem eigenen Flugzeug kann ich nur lachen.«
Tatsächlich kann ich mir, trotz aller Traurigkeit über die Missgunst mancher Menschen, bei der Vorstellung, im eigenen Flugzeug durch die Gegend zu jetten, ein Lächeln nicht verkneifen. Lketinga dagegen schaut etwas betreten und sagt mit seiner kratzigen Stimme: »It’s okay, now I believe you, really. Jetzt, wo du mir alles erklärst, glaube ich dir. Aber manchmal weiß ich einfach nicht mehr, was stimmt. Auch James erzählt so vieles und ich muss es einfach glauben, obwohl ich manchmal daran zweifle. Ich glaube, weil er zur Schule gegangen ist, möchte er Karriere machen wie ein Minister. Ich aber bin ein Samburu, ein wirklich echter Samburu, und habe meine Tiere und meine Familie. This is okay for me.«
Ich nehme die Hand meines Ex-Mannes und schaue ihn an, während ich eindringlich sage: »Ich wäre nicht hierher zurückgekommen, wenn ich je absichtlich etwas Unrechtes getan hätte. Als ich wegging, wollte ich nichts anderes, als mein Leben schützen. Und ich glaube, du kannst auch deinem Bruder vertrauen. Wem willst du denn sonst glauben, wenn nicht der eigenen Familie?« Nach diesen Worten wende ich mich ab, um meine Emotionen unter Kontrolle zu bringen, da Albert und Klaus uns schon fast erreicht haben.
Mittlerweile sind wir am trockenen Flussbett angelangt und ich bin froh, dass hier gerade viel Betrieb herrscht. Direkt vor uns stehen einige Kamele um ein Wasserloch, aus dem ein fröhliches Singen ertönt. In einem gleichmäßigen Rhythmus schießen zwei Arme aus dem Loch und gießen geschickt aus einem Eimer Wasser in eine Mulde, die mit einer Plastikplane ausgelegt ist. Die Kamele schlürfen sofort das köstliche Nass weg. Als wir näher treten, wenden sich die Tiere ab und traben langsam davon. Der Krieger, zu dem die Arme gehören, blickt nach oben,
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