Wiedersehen in den Highlands - Roman
dass er Tom in seiner Stunde der Not zur Seite stand und ihm jeden Beistand anbot, den er benötigen könnte, juristischen oder anderweitigen.
Matthew Brodie hatte nur wenige, weit verstreute Verwandte: einen Bruder in den Kolonien, eine ältere Schwester auf einer Hebriden-Insel – Peter konnte sich nicht erinnern, auf welcher – und einen entfernten Vetter in Kildare. Agnes Brodies Familie stammte aus den Highlands. Tom zufolge hatten sie Matthew für unwürdig erachtet, in ihren Clan aufgenommen zu werden, und sich von Agnes nach ihrer Heirat losgesagt. Wenn der alte Mann ein großes und würdevolles Begräbnis erhalten sollte, dann war es an Toms Freunden, dafür Sorge zu tragen.
»Ach, Peter, Peter«, rief Mr. Ogilvy. »Ein trauriger Tag, was für ein trauriger Tag!«
Peter lenkte sein Pferd neben das Pony. »Das ist es allerdings«, sagte er. »Mein ganzes Mitgefühl gilt der Familie.«
»Der Verlust eines Vaters hinterlässt eine tiefe Wunde«, fuhr Mr. Ogilvy fort. »Mir bangt vor dem Tag, an dem mein Daddy in den Schoß des Herrn abberufen wird.«
»Dein Daddy?«, fragte Peter. »Mir war gar nicht bewusst, dass du noch einen Daddy hast.«
»Ich versorge ihn in Kilmarnock.«
»Du versorgst ihn dort, ja?«
»Ich kümmere mich darum, dass es ihm an nichts mangelt, und besuche ihn von Zeit zu Zeit«, sagte Ogilvy. »Er hat natürlich eine Ehefrau. Es ist schon die zweite, seit meine Mammy gestorben ist, aber diese jetzt scheint entschlossen auszuharren. Und da sie jung ist und ich selbst keine Ehefrau habe, wird sie vermutlich einmal mein bescheidenes Vermögen erben.«
»Das ist ein düsterer Gedanke, Robert«, sagte Peter.
»Man kann nicht umhin, an die eigene Sterblichkeit zu denken, wenn ein anderer Mann vor seiner Zeit aus dem Leben gerissen wurde.«
»Vor seiner Zeit?«
»In der Blüte seiner Jahre, meine ich.«
»Ah ja, natürlich«, murmelte Peter.
»Aber jedes Unglück hat auch sein Gutes«, fuhr Mr. Ogilvy fort. »Wenn wir um Toms willen traurig sind, dann denk bloß, wie viel trauriger ein gewisser Flachsfabrikant sein muss. Er hat nicht nur zwölf Monate Pacht verloren, nein, der alte Hewitt hat jetzt auch die Brodies noch mindestens ein halbes Jahr länger am Hals.«
»Wie muss das Neville Hewitt wurmen. Er ...« Peter brach ab beim Anblick einer Frau, die am Straßenrand saß. »Wer zum Teufel ist denn das?«
»Sieht mir nach Tassie Landles aus«, meinte Mr. Ogilvy.
»Lieber Gott, du hast recht!«, sagte Peter und ritt voran, um seine Tante zu begrüßen.
Rose strich Butter auf einen Muffin und schnitt ihn in kleine Quadrate. Sie gab einen Klacks Marmelade auf eines davon und steckte es sich in den Mund.
»Armer Tom«, meinte sie. »Er muss von Gram gebeugt sein.«
»Oder einen Freudentanz aufführen«, bemerkte Eunice Prole.
»Was denn – wenn sein Vater tot ist?«
»Es ist nicht Tom Brodies Vater, um den du besorgt sein solltest«, erwiderte Eunice Prole, »sondern dein lieber Papa.«
»Oh, Papa wird bald wieder guter Dinge sein.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, sagte die Frau. »Er hat damit gerechnet, Hawkshill bald wieder verpachten zu können. Ich würde an deiner Stelle kein Mitgefühl mit den Brodies bekunden, wenn dein Vater in Hörweite ist.«
»Ich würde ihm aber dennoch gern die letzte Ehre erweisen.«
»Nein«, rief Eunice Prole, »das wäre der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.«
Rose war an jenem Samstagmorgen so lange wie möglich auf ihrem Zimmer geblieben. Ihr Vater hatte unten laut gebrüllt und fürchterlich geflucht, dann war er aus dem Haus gestürmt. Mrs. Prole war die Treppe hochgestapft, um Rose zu erzählen, dass Toms Vater gestorben war.
»Wann findet die Beerdigung denn statt?«, erkundigte sich Rose nun, da sie mit der Haushälterin am Frühstückstisch saß.
»Am Montag, nehme ich an«, sagte Eunice, »in Hayes.«
»Papa wird wohl nicht teilnehmen?«
»Ha!«, machte Eunice bissig. »Jetzt hör mir einmal gut zu: Denk nicht einmal dran, dich davonzustehlen, um Tom Brodie zu trösten! Und ohnehin haben Frauen auf den Kirchhof keinen Zutritt.«
»Ich frage mich, warum nicht?«
»Weil sie mit ihren Tränen feierliche Anlässe verderben.«
»Weinen Männer denn nicht auch?«
»Ich weiß nicht, was Männer tun.« Eunice beugte sich über den Tisch vor und legte eine Hand auf die des Mädchens. »Aber eines weiß ich, Rose Hewitt: Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt, um deinen Vater herauszufordern. Er ist sehr
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