Wiedersehen in den Highlands - Roman
Klage wegen übler Nachrede am Hals.«
»Es sei denn, es gibt einen Beweis«, erwiderte Neville Hewitt.
»Einen Beweis wofür?«, fragte Henry.
»Dass eurem Vater auf seinem Weg geholfen wurde.«
»Mein Vater ist zur ihm bestimmten Stunde gestorben«, erwiderte Henry.
»Bestimmt von wem? Das würde ich gern wissen«, knurrte Neville Hewitt.
»Von Gott natürlich«, sagte Henry. »Nun, wenn Sie hier nichts weiter zu regeln haben, dann möchte ich Sie bitten zu gehen. Wir haben noch viel zu erledigen, bevor mein Vater unter die Erde gebracht wird.«
»Eine fröhliche Feier ausrichten, nehme ich an«, sagte Neville Hewitt, »auf meine Kosten.«
Er ließ Brodies Söhnen keine Gelegenheit mehr, unangenehm zu werden, sondern eilte zu seinem Pferd und ritt schäumend vor Wut zurück nach Drennan.
Neville Hewitt war gekommen und gegangen, bevor die Mädchen aus dem Kuhstall auftauchten. Sie schleppten die Milch zu dem Verschlag mit dem schrägen Dach und gossen sie in flache Schüsseln. Nachdem sie die Kühe zurück aufs Feld getrieben hatten und Janet die Kälber füttern gegangen war, kam Betsy zurück in den Hof. Henry war eben dabei, ein Fass Whisky von Souter Gordons Wagen zu laden. Er unterhielt sich fröhlich mit dem Lieferjungen und scherzte sogar mit ihm, während sie Tonpfeifen aus einer Strohkiste auspackten und zusammen mit einem Strang schwarzen Tabak ins Cottage trugen.
Betsy sah sich nach Tom um. Das Flackern eines Wachsspans sprang ihr ins Auge, und sie ging über den Hof zu der offenen Scheunentür und spähte zögernd hinein. Tom kniete auf dem schmutzigen Boden und war dabei, das Ende einer Kerze mit einem Wachsspan zu schmelzen. Die Laterne stand halb offen neben ihm, und eine Kerze steckte bereits im Hals einer alten Weinflasche.
Sie hatten lange hin und her überlegt, ob der Leichnam im Hinterzimmer oder auf dem Bett in der Küche aufgebahrt werden sollte, aber keine der beiden Lösungen war ihnen praktisch erschienen. Das Cottage würde sich bald mit Trauergästen füllen, die erwarten würden, mit Speis und Trank und einer Pfeife Tabak bewirtet und nicht verscheucht zu werden, wenn sie noch etwas länger bleiben wollten. Sie hatten sich darauf geeinigt, dass Matthew besser draußen in der Scheune aufgebahrt wurde, wo die Familienmitglieder abwechselnd die Totenwache halten würden und Freunde und Bekannte hereinschauen konnten, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.
Während sie jetzt auf das Gesicht des alten Mannes hinuntersah, das so zusammengesunken und still wirkte, konnte Betsy nur schwer glauben, dass Matthew Brodie nicht nur schlief. Das Stirnrunzeln war verschwunden, die Falten auf seinen Wangen geglättet. In diesem unsicheren Augenblick konnte Betsy erahnen, wie er ausgesehen haben musste, bevor die Arbeit und die Sorgen ihren Tribut gefordert hatten, und ihr wurde bewusst, dass Matt Brodie vor langer Zeit auch einmal gut aussehend gewesen war.
Tom sah auf. »Was willst du, Betsy? Du hast hier nichts verloren. Fort ins Haus mit dir, und hilf meiner Mutter!« Er drückte die Kerze in den Flaschenhals. »Was ist denn los mit dir, Mädchen? Hast du noch nie einen Toten gesehen?«
»Sehen sie immer so aus?«, fragte Betsy.
»Wie denn?«
»Friedlich.«
»Er ist friedlich gestorben – zuletzt«, antwortete Tom.
»Waren Sie an seinem Bett?«
»Aye, wir drei.«
»Hat er irgendetwas gesagt?«
»Nein, er hat nur aufgehört zu atmen.«
»Dann war seine Stunde gekommen, ja?«
Tom starrte sie einen langen Augenblick an. »Aye, seine Stunde war gekommen.«
»Was werden Sie jetzt tun?«, wollte Betsy wissen.
»Ihm eine Beerdigung zukommen lassen, die eines Lords würdig ist.«
»Und danach?«
Tom stemmte sich hoch, kam um den Sarg und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Wir werden unser Bestes tun.«
»Werden Sie wollen, dass ich bleibe?«
»Willst du denn bleiben?«
Sie zuckte die Schultern. »Wird Mr. Rankine meinen Lohn bezahlen?«
»Bist du nur wegen deines Lohns besorgt, Betsy?«
»Drei Pfund im Jahr und Unterhalt. Bin ich so viel wert?«
»Das und noch mehr«, sagte Tom.
»Dann werde ich bleiben«, erklärte Betsy.
Mr. Ogilvy und Peter Frye begegneten sich per Zufall eine halbe Meile hinter dem Ende der Straße. Mr. Ogilvy lenkte einen kleinen Ponywagen. Peter saß auf einem der Hengste seines Vaters. Er war hart aus Copplestone herübergeritten, sobald ihm der Verwalter die Nachricht von Matthew Brodies Tod überbracht hatte. Das Band der Freundschaft verlangte,
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