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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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kannte, war Lady Stansbury strahlend und elegant über die alltäglichen Mühen, die ihre Existenz sicherten, erhaben gewesen, als nähme sie sie gar nicht wahr. Die Frau, die mich an diesem Abend empfing, wirkte sehr viel zielstrebiger. Es schien, als hätte sie unter den Schicksalsschlägen nicht gewankt, sondern irgendwie die Kraft gefunden, ihnen zu trotzen. Das kannte ich aus den Schützengräben. Es kamen immer neue Offiziere dazu, und man wusste vorher nie, wer zerbrechen und wer wachsen würde.
    »Sie müssen versprechen, uns nicht noch einmal zu verlassen, Tom«, fuhr sie fort. »Vor allem nicht, nachdem so viel geschehen ist. Wir sind so glücklich, Sie wieder bei uns zu haben.«
    Sie entließ das Hausmädchen mit einer Handbewegung und führte mich zum Kamin.
    »Die anderen ziehen sich gerade um, sie kommen gleich herunter. Wir haben das Haus voll, genau wie früher.« Sie zögerte. »Ich wollte Sie etwas fragen, Tom. Hoffentlich sind Sie nicht gekränkt. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie sich umziehen könnten, bevor Sir Robert Sie in Uniform sieht. Ich weiß, es ist nicht richtig, aber der Anblick junger Männer in Uniform regt ihn furchtbar auf. Es führt ihm vor Augen, dass sie durchgekommen sind . Ich bin mir sicher, Sie verstehen das … Wir haben Sie nicht in Ihrem alten Zimmer untergebracht– wir dachten, da es gleich neben Harrys liegt … Aber das Blaue Zimmer ist sehr hübsch, und Evans wird sich um Sie kümmern. Sie erinnern sich doch an ihn? Er war bereit, zurückzukommen und uns zu unterstützen. Er ist noch von der alten Schule und ein wunderbares Vorbild für die anderen …«
    Natürlich war Lady Stansbury immer bezaubernd gewesen, doch war ich nie richtig warm mit ihr geworden. Daher überraschte es mich selbst, dass ich an diesem Abend einen Stich des Mitleids verspürte, als ich kurz darauf von der Galerie in die Große Halle hinunterschaute, wo sie ein Blumengesteck zurechtrückte. Mir wurde unvermittelt bewusst, wie klein sie inmitten der prachtvollen Umgebung wirkte.
    Oben im Haus war es kühler. Das Blaue Zimmer war geräumiger, aber auch nichtssagender als mein altes, so als hätten die Schritte ständig wechselnder Gäste seine Eigenart zertreten und nur eine farblose Hülle zurückgelassen, die darauf wartete, gefüllt zu werden. Dennoch war ich froh, dass man mir ein anderes Schlafzimmer zugewiesen hatte. In dem alten hatte ich zu viele ruhelose Nächte verbracht, hatte zu viele Stunden sinnlos an die Decke gestarrt und mich wegen meiner eigenen Torheit gescholten. Das Blaue Zimmer passte mir sehr gut. Ich hatte gebadet, mich umgezogen und die Fürsorge des alten Evans erfolgreich abgewehrt, als es klopfte.
    Ich hatte mich oft gefragt, wie es sein würde, Margot Stansbury wieder zu begegnen. Auch wenn ich mir geschworen hatte, nicht mehr herzukommen, konnte ich ihr nicht ewig ausweichen. Die Welt war klein, und unsere Wege würden sich unweigerlich kreuzen. Ich hatte mir oft eine Begegnung mit ihr ausgemalt, war aber dabei stets ein völlig anderer Mann als der, den sie gekannt hatte: klüger oder weltgewandter oder durch irgendetwas berühmt und erfolgreich geworden. Später stellte ich mir dann vor, ich wäre entstellt, verstümmeltoder blind. Margot hingegen sah immer aus wie bei unserer letzten Begegnung: frisch und makellos, ihr goldener Schimmer unverfälscht und ungetrübt. Der Gedanke, dass auch sie sich verändern könnte, kam mir nie. Margot würde immer Margot sein.
    Doch die Frau, die an diesem Abend vor mir stand, hatte sich durchaus verändert, genau wie Anne Gregory, und auf eine Weise, die sowohl auffallend als auch schwer zu beschreiben war.
    »Was ist los, Tom? Hast du ein Gespenst gesehen?« Sie schloss die Tür hinter sich und musterte mich belustigt. Blaue Augen, dunkle Wimpern, die Mundwinkel in ihrem so typischen angedeuteten Lächeln aufreizend gekräuselt.
    »Margot …«
    »Ja, Tom, ich weiß. Es ist lange her. Aber bitte keine langweiligen Floskeln. Es zählt nur, dass du hier bist.« Sie betrachtete mich mit unverhohlener Neugier. »Mama hat recht, du bist tatsächlich dünner als früher. Warte nur, bis die Köchin dich sieht. Sie wird es als persönliche Herausforderung auffassen.«
    »Mrs Adkins? Ist sie noch hier?«
    »Oh, ja. Mrs Adkins macht tapfer weiter. Sie ist ein Schatz. Leider weigert sie sich inzwischen, eine ganze Liste von Speisen zu kochen, seit ihr jemand erzählt hat, es seien die Lieblingsgerichte des Kaisers gewesen. Mutter

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