Wiedersehen in Virgin River
Brie dazu bringen wollte, sich zu entspannen oder mit ihm zu plaudern. Er hatte es einfach für eine nette Geste gehalten, da er sich ziemlich sicher war, dass sie nicht angeln würden. Und damit hatte er recht. Stattdessen fuhren sie durch einen Redwood-Wald und weiter talwärts zu dem unteren, etwas flacheren Teil des Flusses, wo das Flussufer breit und mit großen Felsblöcken übersät war. An einem riesigen Felsbrocken nahe am Wasser, unter dem Kronendach hoher Bäume, breitete er eine Decke aus. Und bei einem Picknick gab es eben nicht viel anderes zu tun, als sich zu unterhalten und, auf ihr Drängen hin, einen Versuch an der Gitarre zu wagen. Sein Spiel war so eingerostet, er hasste es, sie dem auszusetzen. Aber sie schien seine vielen Fehler gar nicht zu bemerken. Sie lehnte sich an den Felsblock, schloss die Augen, und auf ihren Lippen lag ein leichtes Lächeln, während sie ihm zuhörte. In früheren Jahren würde Mike sie schon längst auf der Decke liegen haben, aber diese Jahre gehörten der Vergangenheit an.
Es fiel ihm schwer, sich diese zarte, so jung aussehende Frau als einen der härtesten Staatsanwälte in Sacramento Valley vorzustellen. Sie war ein kleines Ding in engen Jeans und Mokassins mit einem hellblauen Chambrayshirt, dass sie in der Taille zusammengeknotet hatte. Ihr Haar trug sie offen, eine dicke hellbraune Mähne, die ihr über den Rücken bis fast zur Taille fiel, und die vollkommen makellose elfenbeinfarbene Haut musste sich unter der Hand eines Mannes wie Seide anfühlen. Während er spielte, ließ sie ihre warmen braunen Augen langsam zufallen und schob anerkennend ihre rosigen Lippen vor.
Brie fröstelte in der Brise, und Mike legte die Gitarre aus der Hand. Er ging zum Wagen zurück, zog seine Jacke vom Rücksitz und brachte sie ihr. Als er sie ihr über die Schultern legte und sah, wie sie sie enger um sich herum zusammenzog, wurde sein Blick wärmer. Dann bemerkte er, wie sie am Kragen schnupperte, und da wurde er schwach. Er sah keine Schwester in ihr.
„Deiner Musik nach zu urteilen, müsste dein Arm fast ganz wiederhergestellt sein“, sagte sie.
„Fast ganz“, bestätigte er und setzte sich wieder auf die Decke. „Ich denke, dass ich ihn zu hundert Prozent wieder hinkriegen kann, oder doch beinahe.“
„Und alles andere ist wieder verheilt, nicht wahr?“
„Nicht alles.“ Es überraschte ihn selbst, dass er davon sprach. „Hin und wieder habe ich Schwierigkeiten, das richtige Wort zu finden, und ich mache mir Sorgen um mein Gehirn. Aber das fällt mir mehr auf als irgendjemandem sonst, also könnte es auch eine Überreaktion meinerseits sein. Und ein Schuss hat mich in die Leiste getroffen. Eine schlimme Stelle.“
„Oh“, sagte sie, und er merkte, dass sie ihn nicht danach fragen wollte.
„Nichts Lebensbedrohendes“, erklärte er, und gern hätte er noch hinzugefügt: Nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest. Es ist auch nicht nötig, zu Jack zu gehen und ihn danach zu fragen, wenn sie dir bisher nichts davon erzählt haben.
„Und du denkst daran, hierzubleiben?“
„Warum nicht?“, antwortete er schulterzuckend. „Hier sind meine Freunde. Es ist ruhig und friedlich. Hier kennt man keinen Stress.“ Er lachte kurz. „Davon hatte ich genug. Ich habe in deiner Welt gelebt. In meinem Job habe ich mit vielen Staatsanwälten zusammengearbeitet. Du bist wie alt? Dreißig? Einunddreißig? Und du verdienst dein Geld damit, Leute wegzusperren?“
„So viele wie möglich. Und ich bin dreißig. Dreißig und verheiratet und wieder geschieden.“
„Hey, das ist ja wohl kaum dein Fehler, Brie. So wie ich es von Jack gehört habe, hatte es mit dir gar nichts zu tun.“
„Was erzählt Jack denn so?“
Mike senkte den Blick. Fettnäpfchen Nummer zwei, dachte er. Erst der Schuss in die Leiste, dann die Scheidungsgeschichten. Er sah wieder hoch. „Jack hat gesagt, dass Brad die Scheidung wollte. Dass du am Boden zerstört warst.“
„Brad hat mich mit meiner besten Freundin betrogen“, klärte sie ihn auf. „Er hat mich verlassen und ist bei ihr eingezogen, und ich zahle ihm Alimente. Ihr Mann zahlt ihr Alimente und Unterhalt für das Kind. Für die Hälfte des Hauses habe ich ihm einen dicken Scheck ausgestellt, und weißt du, was er gesagt hat? Er hat gesagt: ‚Brie, ich hoffe, wir können Freunde bleiben ‘ .“ Sie lachte trocken, ein Lachen, das das ganze Gewicht ihrer Wut trug.
„Ah, Dios, es tut mir so leid, dass das geschehen ist. Tu
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