Wiedersehen in Virgin River
„Verklemmt, Paige. Für wie dumm hältst du mich eigentlich?“
Sie schluckte schwer und fragte: „Hast du vor, unseren Sohn ohne seine Mutter zurückzulassen?“
„Zweifellos“, antwortete er mit beängstigender Ruhe. „Aber nicht, bevor ich sichergestellt habe, dass ich ihn auch ohne potenziellen Stiefvater zurücklasse.“
„Mein Gott“, flüsterte sie schwach. „Warum, Wes? John hat dir nichts getan!“
„Nein?“, fragte er zurück. „Er hat mir nur meine Familie genommen. Und er hat meine Familie dazu gebracht, sich gegen mich zu wenden.“
„Nein“, erwiderte sie und schüttelte den Kopf. „Nein, so war es nicht, Wes. Ich bin vor dir weggelaufen.“
„Natürlich bist du das, Paige. Und wenn der Kerl nicht gewesen wäre, würdest du immer noch laufen. Laufen und laufen, und ich würde dich finden und finden. Aber das, was du getan hast – einen endgültigen Schlussstrich zu ziehen und mich in dieses verdammte Gefängnis zu stecken, das war sein Werk. Wir wissen doch beide, dass du den Mut dazu nicht gehabt hättest.“ Er drehte den Kopf und grinste gemein. „Er wird dich suchen. Das weißt du.“
Ich bin ein Köder, dachte sie. Nichts als ein Köder.
„Gegen ein Scheibchen von diesem anderen Kerl hätte ich auch nichts einzuwenden“, fuhr er fort. „Diesem Sheridan.“
In Paige veränderte sich jetzt etwas. Es schien aus dem Kern ihres Wesens aufzusteigen. Du hast den Mut nicht dazu … der Gedanke daran, dass dieser gefährliche Verrückte skrupellos und ohne Gewissensbisse John und seinen eigenen Sohn angreifen würde, zischte in ihr wie siedend heißes Öl. Ihre Angst verflog allmählich und wurde von Wut ersetzt. „Du wirst in der Hölle braten“, flüsterte sie. Aber durch den Lärm des alten Pick-ups konnte er sie nicht hören.
Als Brie und Mike in die Bar kamen, war niemand dort, aber sie konnten Preacher aus der Küche hören, und sogar von Weitem klang seine Stimme aufgebracht. Mike ging nach hinten in die Küche, wo er ihn mit dem Telefon in der Hand hin und her laufen sah, und er sprach schneller, als Mike ihn je gehört hatte. Preacher redete nicht viel, und wenn er es tat, war es wohl überlegt und langsam. Diesmal war es anders. Bevor er sich noch ein Bild davon machen konnte, worum es ging, hörte er ihn sagen: „Mike ist zurück. Dann komm jetzt. Sofort.“
Preacher legte den Hörer auf und sah Mike an. „Da stimmt etwas nicht. Irgendetwas ist passiert. Paige. Sie wollte nur etwas Müll raustragen, und jetzt ist sie verschwunden. Der Beutel liegt da draußen vor dem Container auf dem Boden, und sie ist nicht wieder zurückgekommen. Ich muss mich um Chris kümmern. Er schläft oben, und ich kann hier nicht weg. Ich habe Jack angerufen. Er kommt wieder ins Dorf.“
„Hast du bei Connie angerufen? Doc?“
„Ja. Dort ist sie nicht.“
„Wie lange ist das her?“, fragte Mike.
„Fünfzehn Minuten, vielleicht weniger. Ich hätte schon vorher nachgesehen, aber ich hatte Teig ausgerollt und dachte, dass sie vielleicht einfach an mir vorbeigehuscht und bloß in unser Zimmer gegangen ist. Ich muss die Straße abgehen und nachsehen, ob sie irgendwo steckt …“
„Ja, okay. Ich komme mit“, sagte Mike. „Brie wird hierbleiben und sich um Chris kümmern.“
„Da ist etwas faul“, sagte Preacher und schüttelte den Kopf. „Das ist absolut nicht in Ordnung. Sie macht so etwas nicht. Immer sagt sie, wo sie hingeht. Sie ist wirklich sehr vorsichtig.“
Mike und Brie tauschten einen Blick aus. Brie runzelte die Stirn. „Geh und erkundige dich bei den Nachbarn.“ Sie griff in ihre Handtasche, zog eine Brieftasche heraus, schlug sie auf und entnahm ihr eine Visitenkarte. Als sie den Telefonhörer von der Gabel hob, war Preacher schon im Eilschritt zur Hintertür hinaus.
„Was hältst du davon?“, fragte Mike.
Sie sah ihm unverwandt in die Augen. „Dass etwas faul ist, so wie er gesagt hat. Geh schon, und kommt schnell zurück. Vielleicht könnt ihr ja auch einen Nachbarn bitten, dabei zu helfen, an die Türen zu klopfen. Ich werde ein paar Anrufe machen. Mal sehen, ob ich etwas herausfinde.“
Mike verließ die Bar in der anderen Richtung und ging zu seinem Geländewagen zurück, wo er das Handschuhfach öffnete und seinen Revolver herauszog. Nur um vorbereitet zu sein. Er steckte ihn sich in den Gürtel und holte Preacher ein Stück weiter unten auf der Straße ein. Sowie sie dann bei Joy und den Carpenters angelangt waren, hatten sie auch zwei Frauen
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