Wiedersehen in Virgin River
hast jetzt drei Tage lang den Himmel nicht gesehen. Komm schon. Wir müssen nur auf die andere Straßenseite, und wir werden uns auch rechts und links umschauen.“
Übervorsichtig kam Preacher noch mit raus auf die Veranda der Bar und beobachtete, wie sie die Straße überquerten, ohne dass ihm jedoch etwas Ungewöhnliches auf der ruhigen Hauptstraße auffiel. Aber dann, nachdem die Seifenoper vorüber war und die beiden Frauen zurückgingen, wurden bei hellem Tageslicht und mitten auf der Straße Paiges schlimmste Befürchtungen Realität. An der Seite der Bar war ein Geländewagen geparkt, und ein Mann hatte sich daran angelehnt. Mel fiel es nicht einmal auf. Sie plauderte gerade über die ständigen Kommentare der beiden älteren Frauen zu der Soap, als Paige abrupt stehen blieb.
„Oh Gott“, hauchte sie. Sie zog Mel am Ärmel und hielt sie mitten auf der Straße fest.
Er hatte sich genau zwischen ihnen und der Bar in Stellung gebracht, ein Bein lässig vor das andere gestellt, die Hände in den Taschen. Während er sie beobachtete, verzog er die Lippen und lächelte zufrieden.
„Nein“, flüsterte Paige.
„Ist er das?“, fragte Mel.
„Ja, das ist er“, antwortete sie und rang nach Atem.
Er stieß sich vom Wagen ab und kam auf sie zu. Langsam und gemächlich. Sofort stellte Mel sich zwischen Paige und diesen Mann. „Sie dürfen nicht hierherkommen“, hielt sie ihm vor. „Es gibt eine einstweilige Verfügung.“
Daraufhin zog er ein großes zusammengefaltetes Dokument aus seiner Gesäßtasche, ging einfach weiter und erwiderte: „Es gibt aber auch einen Gerichtsbeschluss, der besagt, dass Paige meinen Sohn zu einer Anhörung über das Sorgerecht nach Los Angeles zurückbringen muss. Ich bin gekommen, um ihn abzuholen.“ An Paige gewandt fuhr er fort: „Was glaubst du eigentlich, wen du da verarschen willst, hm? Komm jetzt, wir fahren nach Hause!“
„Jack!“, schrie Mel und stellte sich schützend vor Paige. „Lieber Himmel. Jack!“
„Nein …“, wehrte sich Paige, und fast war es schon ein Schrei.
Während Paige dann langsam zurückwich, wobei sie sich wieder auf den Laden zubewegte, hielt Mel ihre Stellung. Dieser Mann mochte zwar einen bedrohlichen Zug um den Mund haben, aber ganz klar würde er es mit den Männern nicht aufnehmen können, die dort in der Bar warteten, darauf warteten, Paige zu beschützen. Dieser geschniegelte Kerl mit seiner Bügelfaltenhose und den Slippern von Florsheim Chester war etwas anderes als die stämmigen Männer in Virgin River. Wie schaffte er es überhaupt, eine solche Gewalt auszuüben, so viel Schaden anzurichten? Er war kleiner als Jack und 50 viel kleiner als Preacher. Liebe Güte, er war nur ungefähr so groß wie Rick! Mit seinen kurzen gegeelten, stacheligen Haaren kam er allenfalls auf einsachtzig. Ein hübscher Junge aus der Stadt. Er würde sich noch sehr wundern.
Mel konnte gerade noch sehen, wie Jack auf den Vorbau der Bar heraustrat, als Paige sich umdrehte und losrannte. Wes Lassiter stieß Mel grob aus dem Weg, um ihr nachzujagen. Mel stolperte rückwärts und fiel, wobei sie noch flüchtig daran dachte, dass Jack das gesehen haben musste. Sie konnte seinen schweren Tritt auf der Treppe hören, kam wieder zu sich und sah, wie er über die Straße auf sie zu rannte. Dann warf sie einen Blick über die Schulter und konnte erkennen, dass er nicht schnell genug war, um Paige zu retten. Lassiter hatte Paige bereits eingeholt, griff in ihr Haar am Hinterkopf und warf sie zu Boden. Wie in einer irrealen Szene sah Mel dann verschwommen, wie er mit dem Fuß ausholte und sie trat. Dabei brüllte er: „Was zum Teufel stellst du dir eigentlich vor? Glaubst du etwa, du kannst mich verlassen?“
Während er Paige zu Hilfe eilte, sah Jack kurz nach unten zu Mel, die nur einen Blick zu ihm hochwarf.
Und genau in dem Moment, als Lassiter dann noch einmal mit dem Fuß ausholte, um Paige einen zweiten Tritt in den Bauch zu versetzen, legte Jack ihm einen Arm um den Hals, riss ihn hoch und weg von Paige. Lassiter verlor den Boden unter den Füßen, wurde in einer einzigen schnellen Bewegung von seinem Opfer weggeschleudert und landete ein ganzes Stück weiter.
Preacher, der zweifellos in der Küche gestanden hatte, als Mel schrie, war dann der Nächste, der aus der Bar kam, auf den Fersen gefolgt von Rick. Er sah, wie Paige gerade versuchte, sich wieder aufzusetzen, während sie eine Hand vors Gesicht hielt, denn bei ihrem Sturz auf den Boden war
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