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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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Handschlag statt einer verbalen Begrüßung.
    »Ich nehme an, Sie möchten eintreten.«
    Mit diesen Worten drehte sie sich um und überließ es ihm, die Tür hinter sich zu schließen. Vom Eingang zweigten zwei kurze, dunkle Flure ab, die zu verschiedenen Zimmern führten. Justine ging ihm voran durch direkt gegenüberliegende Doppeltüren aus dunklem Mahagoni. Hinter diesen erstreckte sich ein weiterer Korridor, der jedoch sehr viel länger, auch heller war und Zugang zu einer Reihe von weiteren Zimmern erlaubte. Es ging dem Dirigenten der Hofoper offensichtlich finanziell sehr gut, da er sich eine solche Flucht von Zimmern nur für sich selbst und seine Schwester erlauben konnte.
    Werthen folgte Justine Mahler weiter, die nach links abbog. Sie passierten eine offene Tür auf der rechten Seite, und er warf im Vorbeigehen einen Blick hinein. Es war ein formelles Esszimmer mit ebenso elegantem wie modernem Esstisch und Stühlen im geometrischen Design. Die Möbel waren ganz offensichtlich nach Entwürfen der Wiener Werkstätten gefertigt, einer Gruppe von Künstlern des Jugendstils und der Sezession, die sich um Gustav Klimt versammelt hatte. Das Licht fiel durch große Fenster in den Raum.
    Justine öffnete die Doppeltüren zum nächsten Zimmer, und sie betraten einen großzügigen Wohnraum, dessen Mitte ein prachtvoller Bösendorfer-Flügel zierte. Dessen Lack glänzte wie frisch poliert. In einer Ecke des Zimmers meinte Werthen einen Stapel Decken auf einem Diwan zu sehen; nach einem zweiten Blick entdeckte er Mahler selbst, der, mit einem weißen Verband um den Hals und einem Thermometer im Mund, unter diesem Berg von Daunendecken vergraben lag. Werthen musste ein Lachen unterdrücken; es wirkte ganz wie eine Karikatur aus
Der Floh
oder eine der anderen wöchentlichen Witzzeichnungen.
    Neben dem Diwan stand ein kleiner emaillierter Tisch, auf dem eine Schachtel mit
Loukoumi
lag oder
Turkish Delight
, wie die Engländer diese Süßigkeiten nannten, nach denen Mahler süchtig war. So war es jedenfalls in den Boulevardblättern zu lesen. Daher wusste Werthen auch, dass der Komponist einen regelmäßigen Vorrat direkt von der Ali Muhiddin Haci Bekir Company aus Istanbul bezog. Mahler erschien Werthen etwas menschlicher, da er sich diese Schwäche gönnte. Die kleinen Würfel aus Fruchtgelee waren reich mit Puderzucker bestreut und dufteten stark nach Zimt und Minze.
    Justine Mahler blieb vor dem Diwan stehen, nahm das Thermometer aus Mahlers Mund, warf einen kurzen Blick darauf, brummte, als sie die Temperatur ablas, und schob es dann in die Tasche ihrer Bluse.
    »Ermüden Sie ihn bitte nicht. Er muss sich noch auf die letzte Opernaufführung der Saison vorbereiten.«
    Dann ging sie. Werthen fühlte sich erleichtert, als wäre ein Sturm vorbeigezogen. Er übergab Mahler eine seiner neuen Visitenkarten. Mahler nahm diese und griff, da seine Schwester gegangen war, nach einem Stück Loukoumi.
    »Setzen Sie sich«, sagte er und steckte sich die Süßigkeit in den Mund, ohne im Geringsten daran zu denken, auch Werthen etwas anzubieten.
    Mahlers Stimme wirkte trotz der Halsschmerzen gebieterisch und war sehr viel tiefer, als man bei seiner geringen Körpergröße erwartet hätte. Er griff nach dem Kneifer neben sich und setzte ihn auf seine schmale Nase. Dann musterte er die Visitenkarte und kaute dabei gründlich das Konfekt, bevor er zu sprechen begann.
    »Ein beeindruckendes Trio«, meinte Mahler und zeigte auf die Karte. »Und wer der Herrn stattet mir einen Besuch ab?«
    »Der Privatermittler«, entgegnete Werthen.
    »Ah. Was genau ist denn diese lebenswichtige Information, die Sie angeblich für mich haben?«, fragte Mahler, als Werthen einen unbequem aussehenden Armlehnenstuhl zum Diwan zog. Die Wiener Werkstätten machten wunderschöne Entwürfe, aber die Möbel waren doch eher zum Anschauen als zum Sitzen geeignet.
    Die dunklen Augen des Musikers funkelten, und der Hauch eines Lächelns zeigte sich auf seinen dünnen Lippen. Der Wust von unkontrollierbarem Haar wirkte hier im Bett weniger unpassend, als wenn er hutlos und mit seinem ungleichmäßigen Gang die Kärntnerstrasse hinuntereilte, oft begleitet von johlenden Kindern. Selbst hier, unter einem Berg von Daunendecken liegend, klopfte er voll nervöser Energie mit der linken Hand einen Takt auf die Bettdecke.
    Werthen räusperte sich und begann: »Es gab an der Oper gewisse Vorkommnisse, wenn ich es richtig verstanden habe. Der Tod von Fräulein Kaspar ist

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