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Wiener Requiem

Wiener Requiem

Titel: Wiener Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Jones
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wohl nur der traurige Höhepunkt dieser Vorfälle.«
    Mahler sagte nichts, fixierte Werthen jedoch lange mit einem durchdringenden Blick.
    »Unter anderem gab es den Vorfall mit einem hinabstürzenden Bühnenbild und dieser giftigen Substanz in Ihrer Teetasse.«
    »Mein Gott, Herr …« Mahler warf einen prüfenden Blick auf die Karte, »… Herr Werthen. Wenn Sie mich vorab in Kenntnis gesetzt hätten, dass Sie mit einem neuen und recht melodramatischen Libretto ankommen würden, hätte ich mich dem Anlass gemäß gekleidet.«
    Werthen fühlte, wie er errötete, und entschied sich dann, die Höflichkeitsfloskeln beiseite zu lassen.
    »Ich wurde beauftragt, die versuchten Anschläge auf Ihr Leben zu untersuchen.«
    Bei diesen klaren Worten verschwand das arrogante Lächeln von Mahlers Lippen.
    »Und wer ist Ihr Auftraggeber?«
    »Verzeihen Sie, aber ich bin nicht befugt, diese Information preiszugeben.«
    »Ja, gewiss. Es wird sich um Prinz Montenuovo handeln, der um seine Investitionen bangt.«
    Mahler sprach von dem gefürchteten Vertreter des Stellvertretenden Hofkämmerers, des Verwaltungschefs der Hofoper, der allein und direkt Kaiser Franz Joseph verpflichtet war.
    »Wie ich bereits sagte, bin ich nicht befugt, die Identität meines Auftraggebers zu enthüllen. Ich bin vor allem zu Ihnen gekommen, um zu erfahren, ob Sie diese Vermutung teilen.«
    »Was denn? Dass jemand mich töten will? Das ist lächerlich. Allenfalls Grethe vielleicht. Also Fräulein Kaspar. Sie können Ihrem ungenannten Auftraggeber ausrichten, dass er lieberihren Tod untersuchen lassen sollte. Sagen Sie ihm, er soll die Opernkätzchen überprüfen, die schon ihre Krallen nach der jungen Sopranistin ausgefahren hatten. Jedermann weiß, dass sie meine Geliebte war. Viele der jungen Dinger hatten sie auf dem Kieker, da bin ich sicher.«
    »Mit ›Kätzchen‹ meinen Sie vermutlich die anderen Sängerinnen?«
    »Sie sind entschieden zu liebenswürdig; die meisten von ihnen nennen sich lediglich Sängerinnen. Aber schon bald werde ich den Stall ausgemistet haben! Dann fliegen all die alten Jungfern hinaus, die ausschließlich auf eine Pension aus sind. Bis es soweit ist, muss ich sie leider dulden.«
    »Sie sehen also keine Gefahr für sich selbst?«
    »Nur für meine Ohren, da ich dem sogenannten Gesang der Damen zuhören muss.«
    Falls wirklich jemand versucht hatte, Mahler zu töten, verstand Werthen nun jedenfalls das Motiv etwas besser.
    »Im Ernst, ich mag einige verärgert haben, aber ich habe weder die Zeit, noch die Geduld, mich um meine Beliebtheit zu sorgen. Es geht um die Musik. Die Musik ist das Wichtigste. Diejenigen, die das nicht begreifen, müssen gehen. Aber ist das ein Grund zu morden? Ich denke nicht.«
    »Und das Bühnenbild? Die vergiftete Tasse mit Tee?«
    »Unfälle. Es arbeiten mehr als hundert Leute vor und hinter der Bühne. Da muss man mit so etwas rechnen.«
    »Ja.« Werthen zeigte nun seine einstudierte Anwaltsmiene, um sich nicht zu verraten. Denn plötzlich fühlte er sich wie ein Narr. Natürlich hatte Mahler recht. Ein Unfall. Zufall. Hinter dem Tod von Fräulein Kaspar steckte vielleicht mehr, aber selbst wenn dem so wäre, hatte sich die Polizei darum zu kümmern.Fräulein Schindler hatte offensichtlich ihrer überbordenden Phantasie freien Lauf gelassen.
    »Nun, denn …« Werthen stand auf, um sich zu verabschieden.
    »Ihre Visitenkarte. Es steht dort ›Testamente und Treuhandangelegenheiten‹. Stimmt das?«
    Werthen reagierte betroffen bei dieser Frage: »Selbstver ständlich ! Ich maße mir doch keine Titel an.«
    »Beruhigen Sie sich. Ich wollte Sie nicht beleidigen. Aber ich benötige jemanden, der ein neues Testament für mich aufsetzt. Es muss einiges geändert werden, da sich gewisse Umstände ebenfalls verändert haben. Wann könnten wir damit beginnen?«
    Mahler verzichtete auf irgendwelche Höflichkeitsfloskeln, als er um diesen Dienst bat. Er war ganz offenkundig gewöhnt zu befehlen.
    »Sie wünschen meine juristischen Dienste in Anspruch zu nehmen?«
    Mahler hatte sich aufgesetzt; er wirkte wie belebt und voller Tatendrang. Er riss sich den Verband vom Hals.
    »Herr Werthen, bitte vergeben Sie mir meinen schroffen Ton. Er ist das Ergebnis meines tagtäglichen Umgang mit diesen verstockten Sängern. Ja, ich möchte Ihre Dienste in Anspruch nehmen.«
    Trotz seines barschen Gebarens hatte Mahler etwas Anziehendes. Er war ein Mann, der ganz nach seiner eigenen Fasson lebte.
    »Sie sind Jude«,

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