Wieviele Farben hat die Sehnsucht
Hilfe habe ich meinen Weg gefunden.“
Tapiro bat den König in die Hütte, in der ein kleines Feuer brannte. Über dem Feuer kochte eine Suppe aus Wurzeln und Kräutern, von der sie gemeinsam aßen. Dann erzählten sie einander von den vergangenen Jahren. Am nächsten Morgen erst wanderte der König zurück ins Tal.
Nach einem Jahr aber starb der König, und das Volk trauerte viele Monate. Und bald gab es einen neuen König, der so war wie fast alle Könige. Er ließ sich einen Palast bauen - und dem Volk blieb nur so viel, daß es gerade nicht verhungerte. Alle Bauern wurden zu Leibeigenen. Ein Heer wurde aufgestellt. Und bald wurden Kriege gegen die Nachbarreiche geführt. Im Laufe der Jahre wurde das Königreich immer größer, der König immer reicher und das Volk ärmer und ärmer.
Die Weisen des Landes zogen hinauf in die Berge, um sich zu verstecken, denn in dieser Zeit waren sie im Tal der Verfolgung ausgesetzt. Sie zogen in die Einsamkeit wie einst Tapiro. Sie fanden die Hütte, die zu seinem Grab geworden war. Und über dem Eingang stand geschrieben: Wer die erste Schneeflocke eines Winters auf seiner Handfläche zerschmelzen läßt, der soll König im Lande sein.
Der Sinn des Lebens
Roland Kübler
E s gibt viele Wege zu gehen. Und manchmal reicht ein einziges Leben dafür nicht aus. Als sich der junge Mann am frühen Morgen von seiner Familie verabschiedete, funkelte die Kühle der Nacht im satten Grün der Wiesen, und sein Herz klopfte wild vor Aufregung und den Schmerzen der Trennung. Seine Mutter versuchte ihn nicht mehr umzustimmen. In den 'Tagen zuvor hatte sie ihn immer wieder beschworen: „Bleib doch hier! Lerne lieber etwas Sinnvolles! Nimm dir eine Frau und gründe eine Familie!“ Aber der junge Mann war durch nichts zu überzeugen. In dieser kleinen Stadt kannte er jeden Winkel, den Staub der Straßen, die hektische Betriebsamkeit, die täglichen Lügen und das falsche Lachen, wenn die Menschen miteinander Geschähe machten. Hier kam ihm alles so sinnlos vor. Er würde den Sinn seines Lebens irgendwo anders finden, davon war er überzeugt.
Die Freundlichkeit des Vaters war schon seit Tagen zerbrochen. Fr hatte fest damit gerechnet, daß sein Sohn den Handelsbetrieb übernehmen würde. Auch am heutigen Morgen ließ er sich nicht sehen. Der Vater seines Vaters jedoch nahm ihn zum Abschied fest in die Arme und wünschte ihm alles Gute.
Der junge Mann wanderte den ganzen Tag, den nächsten und den darauffolgenden. Die Sonne brannte und die Straße War einsam und staubig. Sie lag da wie eine lange, tote Schlange in einer dürstenden, vor Hitze flimmernden Steppe. Sie schien ihm bald ohne Anfang und ohne Ende. Am Abend des dritten Tages, im schwachen Licht der untergehenden Sonne, entdeckte der junge Mann eine Hütte am Wegesrand. Auf einer Holzbank vor der Tür saß eine alte Trau und schälte kleine, wilde Kartoffeln. Als er vor ihr stand, erhob sie sich und wischte die Hände an der fleckigen Schürze ab. Dann bat sie ihn ins Haus. Auf dem einfachen Tisch stellte sie inzwischen Brot, Käse und Sauermilch bereit. Nach dem Essen, bei dem kein Wort gesprochen wurde, fragte sie: „Was führt dich durch diese Steppe, mein Junge? Fs ist sehr selten, daß hier jemand vorbeikommt.“
„Ich bin unterwegs, um den Sinn des Lebens zu finden. Ich weiß zwar nicht, wo ich danach suchen soll, aber mir wird schon etwas einfallen, wenn ich nur lange genug darüber nachdenke.“
Die Alte wischte mit der Hand einige Brotkrümel vom Tisch. „Wenn du eine Zeitlang hier bleibst, werde ich dir den Sinn des Lebens zeigen“, sagte sie dann.
Natürlich willigte der junge Mann ein, und so blieb er bei der alten Frau. Er arbeitete für sie auf den steinigen Feldern, sorgte für die zwei mageren Kühe, futterte ihren zahmen Falken und begleitete sie in die Steppe, um Heilkräuter zu suchen. An den Abenden erzählte ihm die Alte Geschichten und berichtete von längst vergangenen Zeiten.
Doch nach einem Jahr hatte er von der Frau noch immer nichts über den Sinn des Lebens gehört. Der junge Mann beschloß deshalb weiterzuziehen und sprach die Frau an: „Seit einem Jahr bin ich nun bei dir. Ich habe für dich gearbeitet. Du hast mir Geschichten erzählt und ich habe Dinge erfahren, die mir bisher fremd waren. Aber du hast nie vom Sinn des Lebens zu mir gesprochen. Morgen werde ich aufbrechen, um weiter zu suchen.“
Die Alte seufzte und wischte sich die Hände an der fleckigen Schürze ab. „Ein
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