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Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Wieweitdugehst - Wieweitdugehst

Titel: Wieweitdugehst - Wieweitdugehst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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konservative Bajuware, dachte Nero. Er sieht aus wie ein Linker, denkt wie ein Konservativer, redet wie ein Grüner, aber was ist er eigentlich wirklich?
    »Was geschieht jetzt mit ›The Demon‹?«, lenkte er ab. »Dürfen sie heute den Betrieb wieder aufnehmen?«
    »Wenn die Figur gerichtet, der Betrieb zweimal durchgetestet und nicht zu beanstanden ist«, sagte Freiflug. »Sie hatten gestern einen enormen Verdienstausfall. Nach all der Werbung, die sie geschaltet haben, standen die Leute mit ihren Freitickets vor verschlossener Geistertür.«
    »Dafür kommen heute umso mehr Fahrgäste, darauf wette ich. Das ist der Gruseleffekt des echten Lebens, jenseits von Sensenmann und Graf Dracula.«
    »Gib zu, die Bahn ist der Hit!« Freiflug faltete seine Zeitung zusammen. »Ich war immer ein Anhänger der Nostalgiebahnen. Der gute alte Gespenstertrott! Aber in ›The Demon‹ ist richtig was los. Nennen wir es lebensecht, was wir dort zu sehen bekommen. Da kriegt die Nebenniere endlich mal was zu tun. Das Adrenalin fetzt dir durch die Adern – wow!« Elegant schleuderte Freiflug die Zeitung gegen das Fenster, wo sie eine Wespe traf, die der Spätsommer und Freiflugs Zwetschgenkuchenfrühstück ins Büro gelockt hatten.
    Nero hatte die Fahrt in der Geisterbahn nicht genossen. Nicht einmal die halbe Fahrt, mit Sigrun neben sich in der Gondel, dem plötzlichen Stillstand, der beginnenden Panik, als die Notbeleuchtung anging. ›The Demon‹, genau der richtige Name. Ein Dämon, der nicht im Außen lauerte, sondern im Kopf, im Geist, im Herzen. Der immer anwesend war, die Zähne bleckte. Glaubte nicht Kea an einen Dschinn in ihrem Badezimmer?
    Und wieder Kea, dachte Nero. Zornig klickte er auf seine Posteingangsbox. 20 neue Nachrichten. So begannen Tage, die er am liebsten als Flüchtling beendet hätte, egal, wohin die Reise ihn führen würde.
    »Was ist mit deiner Koordinierungsstelle?«, fragte er halbherzig. Die Wespe schwirrte über den Fußboden. Getroffen, aber nicht tot.
    »Die baue ich trotzdem weiter auf. Der Rechner-Check auf der Wiesn wird nicht viel Zeit beanspruchen.«
    »Beschrei es nicht. Du weißt, wie einem die Tage davonlaufen, wenn man vor einem Rechner klemmt.«
    »Und du? Wann fährst du nach Passau?«
    Nero warf einen Blick auf den Wandkalender hinter Freiflugs Schreibtischstuhl. »Das Seminar findet erst nächste Woche statt, aber ich will vorher vorbeischauen, um das Netzwerk einzurichten.«
    »Wie geht’s Kea?« Freiflug hatte das erste Stück Kuchen vertilgt.
    »Sie kauft heute ein Auto.«
    »Einen Sportflitzer, hoffe ich doch!« Freiflug machte sich über seine Tastatur her, als wollte er sie zu Kleinholz verarbeiten. »Tolle Frau, deine Kea. Beneidenswert.«
    Nero klickte auf eine E-Mail nach der anderen, bis alle neuen Nachrichten markiert waren. Dann hielt er den Cursor über den Löschen-Button. Die Wespe hatte sich von Freiflugs Angriff erholt und drehte ihre Runden unter der Deckenlampe.
    Klick. Alle Nachrichten gelöscht.

12
    Der Abend schickte feine Nebelstreifen über die Hügel und Weiden. Von meinem Küchenfenster aus sah ich Ponys unten auf der Koppel stehen. Die Füße im weißen Dunst. Was für ein Friede über allem!
    Ich hatte Juliane heimgebracht, nachdem wir beinahe den ganzen Tag in meinem Spider herumgekurvt waren. Einige Male die Ludwigstraße rauf und runter. Über den Mittleren Ring nach Süden, bis Holzkirchen, dann über Landstraßen zum Flughafen, wo wir den Spider im Parkhaus gelassen und in der Ankunftshalle einen Kaffee getrunken hatten. Nur so, um das Gefühl zu testen, wie es wäre, jetzt abzuheben. Irgendwohin. Juliane war dem Mädchen am Lufthansaschalter auf den Keks gegangen, indem sie nach dem preiswertesten Flug an diesem Tag gefragt und absurde Ziele angegeben hatte. Am Nachmittag waren wir einmal um den Ammersee gejettet, hatten in Herrsching gegessen und nun taute Juliane in ihrer Badewanne auf.»Herzchen, meine alten Knochen vertragen Cabrios nur sehr bedingt!«
    Ich saß allein zu Hause, sinnierte über die früh einsetzende Dunkelheit und überlegte, ob ich Nero anrufen wollte. Wir hatten nur ganz kurz telefoniert. Er hatte mir die wichtigsten Infos zum Fall Geisterbahn durchgegeben.
    Nero war stets fair, zurückhaltend, redlich, anständig. Aber er hatte Ansprüche und Träume. Vor allem Träume. Träume von einem Leben zu zweit, die ich nicht teilte. Ich wollte keine gemeinsame Wohnung. Schon gar nicht im schäumenden Schwabing. Ich wollte mein

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