Wikinger der Liebe
blieb er stehen.
Tanzende Kinder? Hatte er dergleichen je zuvor beobachtet? Natürlich, alle Kinder mussten überschüssige Energien loswerden. Aber da er sich nicht an ähnliche Szenen erinnerte, gewann er den beklemmenden Eindruck, seiner Domäne würde es an Lebensfreude mangeln. Nun suchte er eine Erklärung für die unerwartete Heiterkeit. Danach musste er nicht lang suchen. Mitten in der munteren Schar tanzte die grünäugige Dienerin - nur erkennbar, weil sie größer war als ihre Gefährten. Doch sie sprang genauso übermütig umher wie die anderen. In ihrer Nähe schien die Luft zu schimmern. Der Glanz musste flimmernder Staub sein, von flinken Füßen aufgewirbelt. Aber in der Nacht hatte es geregnet, es gab hier gar keinen Staub. Trotzdem zuckten funkelnde Punkte über den Köpfen.
Er blinzelte, schaute wieder hin und erblickte die junge Frau und die Kinder in einem schillernden Schleier. Er war kein begeisterter Tänzer, aber immerhin kannte er die Moriskentänze und dergleichen, die am Vorabend von Feiertagen vorgeführt wurden. Dieser Tanz mit den kunstvollen, komplizierten Schritten war ihm fremd. Dennoch glaubte Hawk, er hätte ihn schon irgendwo gesehen - irgendwo, vielleicht in einem Traum. Leise wehte eine Melodie heran und verwirrte ihn, denn er entdeckte keine Musiker. Aber er hörte Flöten- und Trommelklänge. Dann verstummten sie. Wie versteinert standen die Kinder da und starrten ihn an.
Erst jetzt merkte er, dass er sich der frohen Schar genähert hatte, unwiderstehlich in ihren Bann gezogen, von einer seltsamen Magie getrieben, fast bestrebt mitzutanzen.
»Mylord...«, begann die grünäugige Dienerin, und er nahm an, sie wollte eine Erklärung abgeben, um Verzeihung bitten. In den Gesichtern der Kinder las er die unverhohlene Angst vor einem Tadel oder einer schlimmeren Strafe. Der Gedanke an das ungeborene Baby, das seine leichtfertige Gemahlin mit sich in den Tod gerissen hatte, weckte den alten Schmerz, so qualvoll wie seit Jahren nicht mehr.
Lächelnd meinte er: »Ihr solltet öfter tanzen.«
Mit großen Augen musterten sie ihn, als wäre ihm plötzlich ein zweiter Kopf gewachsen. Nur die junge Frau erwiderte das Lächeln, nickte ihm dankbar zu und verschwand. Alle eilten davon, ehe er eine Gelegenheit fand, die Ursache seiner guten Laune zu erforschen, der sie offenbar misstrauten. Bald sah er die Dienerin nicht mehr. Aber sie verharrte noch lange in seinen Gedanken, nach dem Bad, nach dem ersten Schluck Cidre, nach dem Abendessen, während die Lieder des Barden verhallten und die Flammen im Herd erloschen. Und später tanzte sie lachend durch seine Träume.
Verdammt, welch ein Narr er war...
Die Luft war windstill. Wie ein Leichentuch hüllte sie Krysta ein. Rastlos warf sie sich umher. Unter ihr knarrte die Matratze. Raven bewegte sich und ächzte leise.
So ungern Krysta die Freundin auch störte - sie ertrug es nicht, noch länger auf den erlösenden Schlummer zu warten. Sie pflegte nackt zu schlafen, wer tat das nicht? Aber der Schicklichkeit zuliebe schlüpfte sie in ein Hemd, bevor sie aus der Frauenhalle schlich. In der milden Nachtluft wehte ein exotischer Duft aus fernen Ländern heran, den die Brise über das Meer sandte. Sie schaute zum schwarzen Himmel hinauf, der sich von Horizont zu Horizont ohne eine einzige Wolke wölbte. Längst war der Mond untergegangen. Nur die Sterne und die Feuer in den Wachtürmen spendeten Licht. Dunkler Rauch umhüllte die Silhouetten der Männer, die auf der Mauer patrouillierten und manchmal stehen blieben, um ein paar Worte zu wechseln.
Wohin Krysta sich wenden und was sie unternehmen sollte, wusste sie nicht. Schließlich sah sie den Widerschein rot glühender Asche in der Schmiede. Im Schutz nächtlicher Schatten eilte sie hinüber. Den ganzen Tag hatte sie das metallische Lied des Hammers gehört. Jetzt herrschte tiefe Stille, nur vom fernen Schrei einer Eule und raschelndem Stroh durchbrochen. Dann erklang ein Miauen. Atemlos wagte Krysta sich näher heran und betrat die Werkstatt. Eine getigerte Katze hob den Kopf und schaute sie prüfend an. Nach einer Weile blinzelte sie und wandte sich wieder zu den sechs winzigen Kätzchen, die sich an ihren Bauch drängten. Einige saugten an den Zitzen, andere schliefen. In respektvollem Abstand kniete Krysta nieder und betrachtete das hübsche Bild. Nie zuvor hatte sie neugeborene Kätzchen gesehen, rosig und noch blind von der Finsternis im Mutterleib. Wahrscheinlich waren sie eben
Weitere Kostenlose Bücher