Wikinger der Liebe
gekommen.«
Aufmerksam musterte Krysta ihre Widersacherin. Dachte die Lady immer nur an ihre eigenen Wünsche? »So gewaltig es Euch auch stören mag, ich bin Hawks Braut. Unsere beiden Völker sehnen sich nach dauerhaftem Frieden. Was würdet Ihr tun, um ihn zu wahren?«
Von dieser Herausforderung überrumpelt, suchte Esa mehrere Sekunden lang nach Worten. »Fragt lieber, auf welche Weise ich den unseligen Frieden beenden würde! Wie soll sich Alfred gegen die Dänen wehren, wenn das Bündnis zwischen den sächsischen Königreichen zerbröckelt?«
Darauf fand Krysta keine Antwort, denn sie wusste nicht, wie das Bündnis zustande gekommen war. »Warum sollten die Sachsen gegen einen Herrscher rebellieren, dem sie ihre Einheit und ihren Frieden verdanken?«
Seufzend zuckte Esa die Achseln. »Wie dumm Ihr seid! Weil sie Männer sind! Die Männer wollen einander immer bekämpfen. Sobald sich einer über die anderen erhebt, zürnen sie ihm. Alfred ist nicht mehr der Jüngste. Im Krieg gegen die Dänen hat er seine Kräfte verbraucht. Außerdem finden viele Ritter, seine Schwärmerei für die Wissenschaft wäre eine gefährliche Schwäche. Warum vergeudet er seine Zeit mit Büchern, wo es doch nur um die Macht geht?«
Obwohl Krysta glauben wollte, Esa suchte sie nur zu provozieren, erkannte sie schweren Herzens, wie ernst es die Lady meinte. In den klaren grauen Augen las sie brennenden Ehrgeiz und kalte Verachtung. »Auch Lord Hawk legt großen Wert auf Bildung. Fast jeden Tag studiert er seine Bücher.«
»Und wenn schon? So etwas ist heutzutage in Mode.«
»Oh, Lord Hawk richtet sich keineswegs nach irgendeiner Mode. Er besitzt einen scharfen Verstand und den Willen, ihn zu nutzen.«
»Tatsächlich?« Sonderbar, selbst wenn Esa höhnisch die Lippen verzog, sah sie bezaubernd aus. »Kennt Ihr ihn so gut? Natürlich interessiert Euch vor allem sein Verstand. Was macht Ihr beiden in trauter Zweisamkeit? Führt Ihr wissenschaftliche Gespräche?«
Jetzt brachen die Hofdamen in schrilles Gelächter aus, statt nur verstohlen zu kichern, und spornten Esa noch an. Krysta konnte ihren Zorn nicht mehr bezähmen. »Warum kümmert Ihr
Euch um Dinge, die Euch nichts angehen? Soviel ich weiß, habt Ihr nichts mit Lord Hawk zu schaffen.«
»Wirklich nicht?« Die zarten Wangen der Lady röteten sich, wurden aber nicht fleckig, sondern zeigten einen rosigen Hauch, der ihr Gesicht trotz der verkniffenen Lippen noch verschönerte. »Ich kenne ihn länger als Ihr und viel besser.« Mit einem eisigen Lächeln fügte sie hinzu: »Allerdings nicht so intim. Im Gegensatz zu Euch bin ich keine Närrin.« Nun trat sie etwas näher. In Krystas Nase stieg eine Wolke aus Lavendel und Geißblatt.
Ein ziemlich überwältigender Duft, dachte Krysta. Unwillkürlich stellte sie sich Blumen vor, die auf Leichen herabregneten.
»Dass er Euch schon besessen hat, ist wahrlich kein Geheimnis«, fauchte Esa. »Also unterscheidet Ihr Euch kein bisschen von den anderen Frauen, mit denen er schlief, von einem Aspekt abgesehen. Wenn Ihr auch eine verantwortungslose, unsittliche Person seid, die ihn schon vor dem kirchlichen Segen verführt hat, erwartet man doch aus irgendwelchen Gründen, Ihr würdet den Frieden mit den Norwegern sichern. Welch ein Unsinn! Hawk hat sich immer nur für seine eigenen Ländereien interessiert. Leichten Herzens trennt er sich von allem, was seiner Macht nicht dienlich ist. Und sobald er bemerkt, wie unnütz Ihr seid...« Geringschätzig hob sie die Schultern. »Noch vor dem nächsten Mondwechsel werdet Ihr aus seinem Leben verschwinden, darauf wette ich.«
Krysta fühlte sich elend. Mochte Esa unter der oberflächlichen Schönheit auch verachtenswert sein, einzig und allein von ihrer Machtgier getrieben, so hatte sie doch völlig Recht. Sie würde noch freudiger triumphieren, wenn sie von dem Schatten wüsste, den Krystas Geburt über ihr Leben warf. Davon ahnte die Lady nichts, sonst hätte sie den Makel zweifellos erwähnt. Ein schwacher Trost, der Krystas Kummer nicht linderte.
Offenbar merkte Esa, wie sch merzlich sie ihre Gegnerin ver letzt hatte, denn sie lächelte in gespieltem Mitleid, trat zur Seite und ließ sie Vorbeigehen. »Lauft nur zu Eahlswith, kleine Dienerin! Lasst Euch von der Königin ermutigen! Aber vergesst nicht, sie übt längst nicht so viel Macht aus wie mein Bruder und ich. Und die werden wir nutzen.«
Ohne einen Blick zurückzuwerfen, eilte Krysta den Flur entlang. Die letzten Worte der
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