Wikinger der Liebe
Lady gellten ihr in den Ohren. War Esa tatsächlich so leichtfertig, einen Krieg zwischen Alfred und Mercia heraufzubeschwören, wenn sie ihren Willen nicht durchsetzte? Während Krysta diese Möglichkeit überdachte, geriet die Sorge um ihre eigene Zukunft in den Hintergrund. Die Angst vor der drohenden Gefahr bedrückte sie immer noch, als sie die Tür des Sonnenzimmers öffnete.
Wie üblich saß Eahlswith im Kreis ihrer Hofdamen. Erfreut winkte sie Krysta zu sich. »Nehmt neben mir Platz, meine Liebe. Wie geht es Euch?«
Nach allem, was Krysta ihr am Vortag anvertraut hatte, war sie doppelt dankbar für die unbefangene Begrüßung. »Sehr gut, Mylady, vielen Dank. Auch für Eure gütige Fürsorge muss ich Euch danken.«
»Keine Ursache, ich half Euch sehr gern. Habt Ihr Euch hinreichend erholt, könnt Ihr uns wieder etwas vorlesen?«
Eine Situation, in der Krysta nicht lesen wollte, würde sie wohl niemals erleben. Sie öffnete das Buch der äsopschen Fabeln und fuhr an der Stelle fort, wo sie am vergangenen Tag ihren Vortrag beendet hatte. Aber das Problem, das Esa und Mercia betraf, ließ sich nicht verdrängen. Sollte sie die Königin darauf hinweisen? Sie hoffte, dazu würde sich eine Gelegenheit ergeben, als Eahlswith zu Mittag die Hofdamen entließ und ihr einen Spaziergang im Garten vorschlug.
Von Mauern umgeben, nur durch eine Tür vom Fuß der Treppe erreichbar, die zum Sonnenzimmer hinaufführte, war der Garten eine Oase friedlicher Stille. In der Mitte lag ein kleiner Teich, aus dem Vögel tranken. Eine alte Eiche breitete ihre Äste aus und überschattete eine steinerne Bank. Auf gepflegten Beeten hoben herbstliche Astern ihre Köpfe zur Sonne empor, und duftende Kräuter warteten auf die Ernte.
Eahlswith bückte sich, um ein Unkraut aus der Erde zu zupfen. Von leiser Wehmut erfasst, ließ sie ihren Blick über die Idylle wandern. »Diesen Garten ließ Alfred nach der Geburt unseres ersten Kindes anlegen. Hier sollte ich Ruhe finden, wann immer das geschäftige Leben und Treiben am Hof meine Kräfte überstieg.« Sie zeigte auf die Bank. »Da saß ich und schaute unseren Kindern bei ihren Spielen zu. Manchmal glaube ich, sie hätten erst gestern ihre Bälle einander zugeworfen oder ihre bunten Reifen wären hin und her gerollt.« Seufzend schüttelte sie den Kopf. »Verzeiht mir meine Melancholie, Lady Krysta. Heute Morgen bekam ich einen Brief meiner ältesten Tochter Athelflad. Sie ist mit dem Alderman Athelred of Mercia verheiratet. So ein liebes Mädchen... Obwohl sie jetzt in weiter Ferne lebt, stehen wir uns immer noch sehr nahe. Seltsam, denn wir gleichen uns kein bisschen, sie ist ganz nach ihrem Vater geraten. Nun schrieb sie mir, Athelred würde neue Festungen mit starken Verteidigungsbastionen bauen.«
»Bereitet Euch das Sorgen?«, fragte Krysta leise.
»Dazu besteht kein Grund. Wenn sich die Bewohner der Städte im Schatten fester Burgen geschützt fühlen, blüht der Handel. Deshalb werden immer mehr Schlösser errichtet. Trotzdem überlege ich, ob Athelred noch andere Absichten verfolgt.«
Die Königin führte Krysta zur Bank, und sie setzten sich. Eine Zeit lang betrachteten sie schweigend die Mauern, die den Trubel der Welt fern hielten. Vorerst schien da draußen keine Gefahr zu drohen.
»In Mercia herrscht Frieden, nicht wahr?« Um die gütige Königin nicht zu beunruhigen, beschloss Krysta, möglichst vorsichtig zu taktieren. Aber Eahlswith hatte ihr unwissentlich eine Gelegenheit geboten, die sie nutzen musste.
»Was von meiner Heimat Mercia übrig blieb. Vor vielen Jahren haben die Dänen das halbe Land erobert. Wahrscheinlich würden sie jetzt das ganze Reich besitzen, hätte Alfreds Vater, damals der König von Wessex, den Feind nicht bekämpft.«
»Und da habt Ihr Alfred geheiratet, Mylady?«
»Ja, nach der Schlacht bei Nottingham, wo die Dänen zurückgeschlagen wurden. Da Alfred sein jüngerer Sohn ist, dachte niemand, er würde eines Tages den Thron besteigen. Aber er beerbte seinen Vater, was ein Segen für Mercia ist. Er war stets ein weiser, gerechter Ratgeber.«
»Berät er den König von Mercia?«
»Den gibt es nicht. Der letzte König war ein Vasall der Dänen. Nach seinem Tod weigerten sich die Aldermen und Bischöfe im englischen Mercia, einen Nachfolger zu ernennen. Stattdessen übertrugen sie einen Großteil der königlichen Macht einem der ihren, meinem Schwiegersohn Athelred.«
Also regierte kein König in Mercia, und der Herrscher war mit König
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