Wikinger der Liebe
kleinen Schürfwunden und blauen Flecken, die sie sich beim Zusammenprall mit den Felsen zugezogen hatte. Irgendwo weiter vorn mussten sich die Stromschnellen befinden. Die hatte sie noch nicht passiert. Sonst würde sie nicht mehr leben. Wenn sie sich in Acht nahm und rechtzeitig aus dem Wasser stieg, würde sie keinen Schaden nehmen.
Der tote Flussarm lag im Schatten alter Eichen. Einer der Bäume war fast abgestorben, ein langer abgebrochener Ast lag am Ufer, und Krysta stieß ihn in den Teich. Dann beobachtete sie ihn, bis sie sich vergewissert hatte, dass er an der Oberfläche treiben würde. Kurz entschlossen zog sie sich bis aufs Hemd aus und watete ins Wasser, umklammerte den Ast und kehrte in den Fluss zurück.
Am Rand der Lichtung zügelte Hawk seinen Grauschimmel. Nachdem er das Boot am Ufer und die Spuren im weichen Boden betrachtet hatte, winkte er Thorgold zu sich. »Lass den Hund Witterung aufnehmen.«
Kaum war das Tier aus dem Sattel des kleinen Mannes gesprungen, rannte es umher, die Nase dicht am Boden. Bald verkleinerte sich das Suchgebiet, und schließlich trottete er in einen Waldweg, der nach Norden führte. Die Reiter folgten ihm. Nach einer halben Meile gabelte sich der Weg. Unbeirrt bog er nach rechts.
»Braver Hund«, lobte Thorgold und pfiff ihn zurück. Gehorsam landete das Tier wieder im Sattel. »Wieso kanntet Ihr die Lichtung, Mylord?«
»Da ging ich schon oft an Land«, antwortete Hawk. »Etwas weiter oben muss man gefährlichen Stromschnellen ausweichen. Entweder trägt man das Boot daran vorbei, oder man reitet von der Lichtung aus weiter. Das ist eine der beiden Hauptstrecken nach Mercia. Nur ein Teil der Flüchtlinge entschied sich für den anderen Weg, und Udell wählte diesen.«
Mit grimmiger Miene setzte sich Hawk an die Spitze seines Trupps. Seit dem frühen Morgen saßen sie pausenlos im Sattel. Und jetzt, am Nachmittag, zeigten weder der Kommandant noch seine Männer irgendwelche Ermüdungserscheinungen. Die durften sie sich auch nicht leisten. Udells Vorsprung war viel zu groß. Um ihn einzuholen, mussten sie an die Grenzen ihrer Kräfte gehen und darüber hinaus oder auf ein wohlmeinendes Schicksal hoffen.
Jedenfalls ist der Hund ein Himmelsgeschenk, dachte Hawk. Ohne ihn hätten sie die richtige Fährte niemals gefunden. Aber sie waren noch nicht am Ziel.
So schnell wie möglich ritten sie flussaufwärts. Vor langer Zeit, zwischen zahllosen Schlachten, hatte Hawk gelernt, in wachsamem Halbschlaf zu versinken. Dabei erholte sich sein Geist, und sein Körper fand ein wenig Ruhe, ohne dass er drohende Gefahren übersehen würde. Nun wollte er diesen Zustand nutzen, um seine Sorge um Krysta zu lindern, die der grausame Schurke in seine Gewalt gebracht hatte. Aber es gelang ihm nicht.
Zum tausendsten Mal fragte er sich, warum er die Pläne des Merciers nicht durchschaut hatte. Viel zu zuversichtlich hatte er geglaubt, der Verräter würde blindlings in die Falle tappen. Vielleicht wäre er klüger gewesen, hätte Krysta am königlichen Hof nicht immer wieder seine Aufmerksamkeit und seinen Zorn erregt. Hätte er sie doch in der Sicherheit von Hawkforte zurückgelassen, selbst wenn es nötig gewesen wäre, sie einzusperren... Aber nein, er hatte sich eingebildet, angesichts des Königs würde sie nicht wagen, die Verlobung zu lösen.
Und jetzt musste sie vielleicht sterben.
Bei diesem Gedanken stockte sein Atem, und brennende Qualen durchzuckten sein Herz schlimmer als alle schmerzhaften Wunden, die er auf den Schlachtfeldern erlitten hatte. O Gott, er durfte sie nicht verlieren! Verzweifelt bat er den Allmächtigen um Hilfe und versprach Ihm, alles Erdenkliche zu tun, alles, wozu er fähig war.
Hawk betete nur selten, weil er keinen Sinn darin sah. Nach allem, was er beobachtet hatte, bevorzugte Gott in einem Krieg weder die eine noch die andere Seite. Männer, für die er sein Leben geopfert hätte, lagen unter der kühlen Erde, andere waren dem Tod immer wieder entronnen. Dass er selbst die blutigsten Kämpfe überlebt hatte, schrieb er seinen eigenen Fähigkeiten zu, seinem Glück oder dem Schicksal - was immer es für ihn auch geplant haben mochte. Wenn er einen Gottesdienst besuchte, fand er kurzfristig inneren Frieden, eine angenehme Erholung von seinen weltlichen Sorgen. Von Gebeten hatte er nicht viel gehalten.
Aber jetzt, während lange Meilen und Stunden an ihm vorbeizogen, betete er so inständig, wie er sich das niemals zugetraut hätte, aus vollem
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